162 Bücher
|
Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Ihrer königlichen Hoheit
der verwitweten Frau
Großherzogin
Alexandrine von Meklenburg-Schwerin,
gebornen Prinzessin von
Preußen.
(1848.)
In meiner Seele lebte stets Dein Bild,
Erhab'ne Fürstin, königlich und mild,
Wie Du ein Kind, dem Vater hold zur Seite,
In der Begeist'rung tönendem Geleite,
Die Hauptstadt Schlesiens dereinst geschmückt
Und Dich, mit uns, an Siegesglück entzückt.
Welch' eine Zeit! - Ach, sie ist längst dahin.
Jetzt, wo ich alt und grau geworden bin,
Darf ich auf meinem rauhen Pilgerpfade
Dir nah'n; vernehme manches Wort der Gnade
Von Deinen Lippen; und Erinnerung
Macht mich im süßen Traum noch einmal jung:
Des königlichen Vaters denkt mein Herz,
Den ich geliebt in Freude wie in Schmerz,
Dem ich aus treuer Brust manch' Lied gesungen.
Widm' ich nun Dir bescheid'ne Huldigungen,
So richt' ich sie mit dankerfülltem Triebe
An eine Mutter, reich in Kindesliebe. -
Wohl ist die Gegenwart verhüllt und grau.
Das fühlst auch Du, o königliche Frau:
Du fühlst es auch; umgeben von den Deinen
Magst Du im Stillen manche Zähre weinen;
Erbangend vor Verhängniß und Geschick
Hebst Du zum Himmel thränenschwer den Blick.
Gott gebe Frieden, gebe Dir Geduld!
Mir sandtest Du aus tieferkannter Huld
Die reine Perle. - Zürne nicht; ich wähne,
Dies sei aus Deinem Auge eine Thräne,
Geweint um irdische Vergänglichkeit?
Die Perle bleibt mir heilig und geweiht.
Ich trage, fester Preußentreu bewußt,
Die Perle, wandernd an der Sängerbrust,
Daß sie mir auch im Dunklen glänz' und scheine;
Daß, wenn ich Erdenmatt zu Grabe walle,
Die letzte Thräne die ich sterbend weine,
Auf diese Perle, - Deine Thräne, - falle.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
|
|