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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Mein Testament

Wenn ich gestorben bin,
Und wenn der letzte schwache Hauch
Der Brust entfloh'n, drückt mir nach altem Brauch
Die Augen zu; umschlingt das Kinn
Mit weißem Tuche, daß der Mund geschlossen,
Und Ruhe friedlich über mich ergossen,
Lieg' ich mit bleichem Antlitz da,
Als ob mich sanfter Schlaf umfinge.
Gefaltet sind die Hände. Beide Ringe,
Die ich am Finger trage, laßt mir ja!
Nicht wachen soll man nächtlich bei der Leiche,
Genug ist sich der Todte selber schon:
Es kehrt die Seele nicht aus jenem Reiche,
Wohin sie einmal ist entfloh'n.
Drei Tage laßt mich liegen, bis der Duft
Der heiligen Verwesung sich erhebet.
Dann senkt mich, - aber nicht in eine Gruft,
Nein, in ein Grab, das lächelnd ihr umgebet.
Senkt mich hinab und werft mit milden Händen
Auf meinen Sarg drei Erdenspenden.
Ein kleiner Hügel sei mein Denkmal nur.
Weht dann der Ostergruß durch grüne Flur,
Erstehen keimend Blumen aus dem Grabe
Der Winternacht, dann wird der süße Knabe,
Der Frühling, dem ich manches Lied geweiht,
Auch meines Hügels nicht vergessen.
Nicht prunken sollen dort Cypressen,
Nur Veilchen finde man. Und weil die Zeit
So früh verscheucht der Freunde trauernd Sehnen,
Weil Schmerz und Liebe rasch verglüh'n,
Mag nur der Abendthau mit Thränen
Die Blümchen schmücken, die das Grab umblüh'n;
Doch wenn zwei Herzen einst in lauer Nacht
Auf diesem Hügel sich zusammenfanden,
Geschmückt von solcher duft'gen Blüthenpracht,
Dann bin ich auferstanden.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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