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Gedichte
162 Bücher



Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Titus Manlius

Daß Keiner mit dem Feinde kämpfe!
Daß Jeder in der kühnen Brust
Den Trieb nach wildem Streite dämpfe
Und ungeduld'ge Siegeslust:
Vereinigt erst, mit allen Schaaren
Soll unser Heer zum Treffen zieh'n,
Soll seinen alten Ruhm bewahren,
Wenn die Lateiner zagend flieh'n;
Wer wider unsern Willen streitet,
Hat sichern Tod sich selbst bereitet.

Der Consul hat es kaum gesprochen,
Als Jeder seinem Muth gebeut.
Die starken Römerherzen pochen
In heißer Brust nach Kampf und Streit;
Doch eingeengt von den Befehlen
In ihres Lagers kleinen Raum,
Entsteiget ihren Männerseelen
Auch eines Wunsches Regung kaum;
Die Römer, angethan zu siegen,
Sieht man gehorsam harrend liegen.

Mit einer kleinen Schaar von Treuen
Zog jetzt, nach höherem Beschluß,
Vom Feind' die Kunde zu erneuen,
Der Sohn des Consul Manlius.
Voll Kühnheit, wie zu Spiel' und Tänzen
Eilt' er in die Gefahr hinein,
Und überschritt des Lagers Grenzen
Mit seiner Ritter dünnen Reih'n;
Er kam dem Feinde bald so nahe,
Daß ihn der fremde Feldherr sahe.

Der Zorn durchtobt' ihm jede Ader,
Nach Kampfe zuckte Hand und Fuß:
Da stand das Tuscische Geschwader,
Vor ihm Geminus Metius.
Der rief in giftig-kaltem Spotte
Dem edlen Titus höhnisch zu:
Was will die arme kleine Rotte
Mit unserm Heere? Was willst du?
Sollt ihr mit uns'rer Kraft euch messen?
Was thun die Consuln unterdessen?

Und Titus spricht, von Zorn entrüstet:
Du eitler Prahler, nur Geduld!
Wie frech ihr euch auch heute brüstet,
Wir zahlen heilig uns're Schuld;
Die Consuln werden siegreich nahen,
Mit ihnen nahet Jupiter,
Der Treubruch wird den Lohn empfahen
In blut'gen Streichen tief und schwer,
Ihr sollt wie am Regillus fliehen,
Wir über eure Leichen ziehen!

Doch Geminus, der mit dem Pferde
Ein wenig vorgerücket war,
Beginnt mit höhnender Geberde:
Ich zweifle nicht, du redest wahr;
Doch eh' der große Tag erschienen,
Für den Ihr eure Kräfte spart,
Magst du dir einen Kranz verdienen,
Wenn anders Muth dazu dir ward?
Ein kurzer Kampf hier von uns Beiden,
Soll zwischen uns, du Held, entscheiden!

Die Ehre ruft, die Waffen klingen
Und Titus bebt vor Muth und Wuth;
Könnt' er sich männlich jetzt bezwingen,
So flösse männlich nicht sein Blut.
Wie heiß die wilden Pulse drängen!
Im Kampf nur wird die Qual versöhnt;
Er muß dem Feind' entgegen sprengen,
Der seiner Väter Ruhm verhöhnt;
Er läßt vom Zorne sich besiegen,
Zu dem verbot'nen Kampf' zu fliegen!

Die Speere werden ausgesendet,
Und keiner trifft den kühnen Feind;
Doch als die Pferde umgewendet,
Des Sieges Hoffnung neu erscheint,
Da, zwischen jenes Pferdes Ohren
Weiß Manlius, der zornig schäumt,
Die scharfe Waffe einzubohren,
Der Reiter stürzt vom Roß, das bäumt,
Getödtet von dem jungen Krieger
Und Titus Manlius ist Sieger.

Vom Ruhm durchglüht, geschmückt von Beute,
Kehrt er bei'm wilden Siegesschrei'n,
Umtönt vom Jubel seiner Leute
Im Lager triumphirend ein.
Und zu dem Vater hingewendet
Bringt er ihm seine Beute dar:
Der Feind den ich hinabgesendet
Verhöhnte mich und meine Schaar;
Gezeigt hab' ich's in röm'schem Muthe,
Ich stamm' von dir und deinem Blute.

Ja, Alle sollen laut erkennen,
Daß ich dein Sohn, mein Vater, sei
Und uns're Namen freudig nennen,
Ein segenbringend Feldgeschrei! - -
Der Consul sieht mit düstern Blicken
Die Ritter und den Sieger an,
Er wendet schweigend ihm den Rücken,
Geht in sein Zelt und rufet dann,
Den Sohn zum Tode zu verdammen,
Das ganze röm'sche Heer zusammen.

Du hast, um deine Lust zu stillen
Gesündigt, Titus Manlius,
Gekämpfet wider unsern Willen
Und deiner Feldherrn Kraftbeschluß;
Du hast, so viel dir Macht gegeben,
Das Band der Ordnung aufgesprengt,
Und durch dein tückisch Widerstreben
Das Heer aus seiner Bahn gelenkt;
Dich gegen Consuls Spruch vermessen,
In mir den Vater selbst vergessen.

Bei deinem wilden Frevelmuthe
Muß ich nun an dem röm'schen Staat,
Wo nicht an meinem eig'nen Blute
Ausüben grausamen Verrath.
Doch besser ist's, daß uns're Sünde
Beweinet werde und dein Tod,
Als daß die heil'ge Ordnung schwinde,
Daß schwankend scheine Rom's Gebot.
Magst du für dein Vergehen sterben, -
Dein Leben bringt dem Staat Verderben.

Zwar rührt mich deine süße Jugend,
Dein starker Arm, o theurer Sohn.
Doch bist du mein, zeig' es durch Tugend,
Begehre selbst verdienten Lohn.
Der Consul zürnt, der Vater trauert;
Zieh' hin mein Sohn nach eig'ner Wahl
Und stirb von Allen tief bedauert;
Geh' Lictor, bind' ihn an den Pfahl! -
Das Heer verstummte; alle Herzen
Empfanden mit des Todes Schmerzen.

Und nach der feierlichen Weise
Umstanden sie das Hochgericht,
Ein ganzes Heer, im dumpfen Kreise.
Der Jüngling aber klagte nicht;
Er beugte sich dem Todesstreiche,
Er bot den Hals dem Beile dar,
Daß ihm der Tod den Lorber reiche:
So macht' er Rom's Gesetze wahr.
Kaum war das Haupt ihm abgeschlagen,
Begannen Alle laut zu klagen.

Und außer seines Heeres Lager
Ward ihm der Rogus aufgethürmt,
Wo brennend nun der kühne Wager
In Flammengluth zum Himmel stürmt.
Der Vater freilich liegt im Zelte
Und weint, - doch hat er fest gezeigt,
Wie hoch die Republik ihm gelte.
Das Herz nur weint, - die Zunge schweigt.
In Büchern aber steht's zu lesen:
Das ist die röm'sche Zucht gewesen.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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