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162 Bücher



Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Zum Mozart-Feste

(Wien, 1842.)

Was können wir von Mozart lernen,
Die wir nicht Componisten sind?
Was können wir von Mozart lernen?
Denn lernen soll so Mann wie Kind!
Wir können nichts von ihm erlernen,
Weil wir nicht eingedrungen sind
Zu jener Weisheit seiner Führung
Im Reich der Harmonieenwelt.
Wir hören nur mit Andacht, Rührung,
Und preisen nur, weil's uns gefällt;
Wir wissen Gründe nicht zu geben,
Warum wir ihn so hoch erheben,
Und wissen nicht, worin es sitzt,
Daß weder vormals, sonst noch itzt,
Ein and'rer Meister das erreicht,
Ein and'rer Meister diesem gleicht?
Wir blicken schweigend zu den Sternen,
Und können nichts von ihm erlernen.

Doch was könnt Ihr von ihm erlernen,
Ihr Componisten, alt und neu?
Ich denke - ja, bei meiner Treu -
Ihr könnt auch nichts von ihm erlernen!
Denn was sich lernen läßt, das macht
Nicht seiner Größe Sonnenpracht.
Was sich in Regeln bringen läßt,
Und was die Grübler abstrahiren
Aus seinen Werken, ist ein Rest,
Gleich wie er bleibt bei'm Destilliren
Als Niederschlag am Grunde kleben,
Indeß die Geister aufwärts schweben.
Was er gewußt, was er gedacht,
Wenn man's zerlegt, muß es verkühlen -
Und was sein Gott ihn lassen fühlen,
Das floß zurück zu Gottes Macht: -
D'rum blickt auch Ihr nach ew'gen Sternen,
Und könnt von ihm doch nichts erlernen.
    Nun, Künstler, Dichter allzumal,
Und Componisten hier im Saal,
Ihr fragt: wo will der Sprecher hin,
Und was ist seiner Worte Sinn?
Vergönnet mir in Eurer Huld
Nur noch ein Weniges Geduld!
Ich bin bereit, Euch das zu nennen,
Was wir vom Mozart lernen können,
Und kleid' es ein und leit' es ein
Durch ein Geschichtchen kurz und klein!
    Hofmeister, der durch manches Jahr
Des Mozart sein Verleger war,
Sagt' ihm einmal: das sag' ich Dir,
Mozart, schreib' populärer mir,
Sonst kann ich nichts mehr drucken; nichts
Mehr zahlen Dir! - Hofmeister spricht's!
Und ihm entgegnet Mozart: Hör',
's ist gut! Erwerb' ich denn nichts mehr
Und hung're. Sei's denn so! Kurzum,
Ich scheer' mich doch den Teufel d'rum!
Was meint Ihr Herr'n vom Contrapunct?
Mich will bedünken, dies der Punct,
Wo die von Mozart lernen können,
Die sich in Deutschland Künstler nennen.
Das ist der Punct, von dem die Klarheit
In jeder Kunst ausgehen mag,
Da hellt sich auf der trübste Tag;
Es gilt dem Heiligsten: der Wahrheit!
Daß Keiner anders wirken wolle,
Als wie die inn're, reine, volle,
Lebend'ge Stimme, wie der Geist,
Der in ihm lebt, ihn wirken heißt;
Daß er, nach seiner besten Meinung -
Taub für den Marktlärm der Erscheinung -
Nur bringe was er selbst für gut
Und edel hält, in festem Muth.

Ob er sich irrt? Ob seinen Kräften,
Die menschlich doch am Boden heften,
Der höchste Flug von Gott versagt?
Das sei es nicht, wonach er fragt.
Nur auf sein Wollen kommt es an;
Vollbringen muß am Ende dann
Beim Größten ein noch größ'rer Mann.

Doch auch der Reichbegabte schändet
Sich und den Genius, verschwendet
Die wirksamste Geschicklichkeit,
Wenn er sich falschen Götzen weiht;
Doch auch der Schwachbegabte ehrt sich,
Wenn er die Wahrheit nur allein
In wahrem Streben sucht zu weih'n;
Fürwahr! Und sein Talent vermehrt sich.
Von Mozart lernen können wir,
Sehr Viele, die wir sitzen hier:
Wir sollen keine Faren machen,
Damit die Gaffer staunend preisen,
Was alle Guten, alle Weisen
Verächtlich eben nur belachen;
Wir sollen in uns selbst vergnügt,
Auch dann noch bei der Wahrheit bleiben,
Wenn sie der Masse nicht genügt;
Deshalb nicht anders reden, schreiben,
Als wie sich's uns'rer Ehre fügt;
Will sagen: Wehe dem, der lügt!
Wir sollen nicht um's liebe Brod,
Ja, selbst nicht in der schwersten Noth,
Den Weg, den wir erkannt, verlassen,
Um einzubiegen in die Gassen,
Wo käufliche Hausirer lungern.
Und ruft das hohe Publikum:
Auf Eurem Weg müßt Ihr verhungern!
Dann laßt uns rufen: Publikum,
So wollen wir denn auch verhungern,
Und scheeren uns den Teufel d'rum,
Und schau'n, von Dir uns zu entfernen,
Verhungernd nach den ew'gen Sternen! -
Das thaten wir vom Mozart lernen!


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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