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Gedichte
162 Bücher



Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Zur Vermählungsfeier des Banus

Vergeb'ne Müh'! Ich kann die Bilder nicht,
Die mir so ahnungsvoll das Herz umdrängen,
Zusammenfassen in ein Festgedicht. -
Umrauscht von ernsten und von heit'ren Klängen,
Wie lenk' ich sie zu einer Melodie,
Daß sie in holder Eintracht sich verbinden,
Daß sie verschmelzen, rein, in Harmonie?
Nein, ich vermag die Weise nicht zu finden.

Mein Herz ist voll, doch ist es zu erregt,
Fließt von Gefühlen über und von Tönen.
Kein Lied gelingt dem Sänger so bewegt,
Denn Ruhe heißt das Urgesetz des Schönen.
Wo heiße Funken hin und wieder sprüh'n,
Kann sich kein klares Licht verklärend zeigen.
Ein stilles Feuer muß im Busen glüh'n,
Soll reine Opferflamme ihm entsteigen.

Im Freien weil ich, träumend bunten Traum,
Stiller Entsagung hab' ich mich ergeben;
Hoch über mir wölbt schaltend sich ein Baum,
In dessen Blättern waltet reges Leben;
Sie säuseln mir ersehnten Frieden zu,
Sie flüstern, wie ein Ruf aus Gottes Reiche;
Sie wiegen, singend, mich in Sänger-Ruh'!
Es ruht sich wohl am Fuße dieser Eiche.

Das ist ein Baum, der bei Orkanes Wuth
Stets unerschüttert, männlich-fest gestanden,
Im innern Mark gestählt durch Kraft und Muth,
Wo Nachbarstämme bang' im Sturm' sich wanden;
Wo stöhnend and're wie ein dünnes Rohr
An sich verzweifeln mußten und zersplittern.
Hoch ragt sein Haupt und ungebeugt empor
Im Winterschnee, in Sommers Ungewittern.

Er bietet kühn rasendem Toben Trutz! -
Und um ihn her die Blumen rings im Kreise,
Blüh'n gläubig auf in seines Laubdachs Schutz,
Vereinen duftend sich zu seinem Preise.
Sie schau'n hinan zu grüner Krone Pracht
Mit ihrer Blüten kindlich-frohen Augen,
Aus denen Thau gleich Freudenthränen lacht,
Woran die lust'gen Schmetterlinge saugen.

An Duft und Frische reich, im reichen Flor,
Inmitten aller Blumen die da prangen,
Thut eine weiße Rose sich hervor,
Zum Baum geneigt mit sinnendem Verlangen
Und wenn's in seinem Wipfel mächtig rauscht,
Erhebt sie sich, die Worte zu erwiedern;
Zart-flüsternd, dennoch ihm verständlich, tauscht
Ihr Rosenmund des Baumes Gruß mit Liedern.

Sie haucht ihm zu: für Dich erblüh' ich nur!
Er neigt sich mild: Du bist die Zier der Haine!
Sie bebt: Du aber bleibst der Stolz der Flur!
So kosen sie, getrennt, doch im Vereine.
Viel' tausend Boten steigen ab und auf:
Libellen und Goldkäfer, Silfen, Bienen,
Die nehmen süße Kunde mit hinauf,
Als wollten sie der Rose freundlich dienen.

Jetzt aber senkt sich tagesmüde Nacht,
Gehüllt in schwarzen, sterndurchwirkten Schleier,
Auf's Thal hernieder; nur die Liebe wacht; -
Vorabend scheint es einer Festes-Feier?
Und siehe da, in weiblicher Gestalt,
Umstrahlt von wundersam-selbsteig'nem Lichte,
Schwebt's wie auf Wolken aus dem alten Wald:
Die Muse ist's, die Muse der Geschichte.

"Aus dieser Eiche Laub" - so hör' ich sie
In feierlich-gewicht'gen Rhythmen sprechen, -
"Will ich dem Manne, der gezweifelt nie"
"Und nie geschwankt, den Kranz der Zukunft brechen."
"Aus dieser Eiche Blättern schling' er sich,"
"Für immergrüne Dauer dicht geflochten,"
"Den Ritter zierend, der echt-ritterlich"
"Für's Recht gelebt und für's Gesetz gefochten."

"Als in des Argwohn's Tagen dräu'nde Acht"
"Zum Loose Ihm, dem Edelsten gefallen,"
"Enthüllt' Er hülfreich Seiner Treue Macht,"
"Ließ ihr Panier vor allen Völkern wallen."
"Sein Name ward des Vaterlandes Hort,"
"Vom kleinsten Makel ist er frei geblieben,"
"D'rum sei er nun, als schönstes Losungswort,"
"In diesen Kranz von Eichenlaub geschrieben."

"Und auf den Blättern soll zu lesen steh'n,"
"Daß dankbar edle Seelen Ihn erkennen,"
"Daß sie des Willens reinen Drang versteh'n,"
"Und mit den Besten Seinen Namen nennen."
"Dies Alles gräbt mein Griffel in den Kranz,"
"Mit unverlöschbar-sonnenhellen Zügen;"
"Da mag er dann, umstrahlt vom Himmelsglanz"
"Der Ewigkeit, sich ew'gen Kränzen fügen."

In's volle Laub greift ihre Götterhand,
Die Zweige kommen willig ihr entgegen,
Ein Wonnepulsschlag, den der Baum empfand,
Durchzittert sie, daß sie sich freudig regen.
Doch in den siegreich-rauschenden Accord,
Den grüne Blätter solcher Stunde singen,
Will auch der weißen Rose Klagewort
Wehmüthig, schüchtern, jungfräulich erklingen:

O Göttin, die des Nachruhms Stimme lenkt,
Soll kommendes Geschlecht in spätern Tagen,
Wenn es voll Ehrfurcht deines Helden denkt,
Warum nicht Liebe Ihn bekränzt hat, fragen?
Warum nicht Liebe auch mit Rosenhauch
Geküßt Ihm hat die Stirn', umweht vom Ruhme?
O Göttin, wind' in's Laub der Eiche auch,
Die neben ihr erblüht, der Liebe Blume.

Die Muse spricht: "Du Rose bist ja weiß,"
"Der Unschuld Bild, ein Bild harmloser Triebe;"
"Ist rothe Rose nicht der Liebe Preis?"
"Und doch, ich fühl's, Du athmest wahre Liebe."
Da streift die Hehre, lächelnd, wie zum Spiel',
Mit einem Dorn den Busen sich; sie thut es
Voll Huld, denn in der weißen Rose Blätter siel
Ein warmer Tropfe reinen Götterblutes.

Zwiefach geschmückt von Gluth und Purpurroth
Läßt sich die Rose liebeselig pflücken,
Durch ihren freierwählten Blumentod
Den Ehrenkranz lebendig erst zu schmücken.
Ihm eingewunden und gleich ihm geweiht
Von der Geschichte Hand, wird sie erwerben
Mit ihm zugleich die Unvergänglichkeit;
Den Namen, der ihn ziert, wird sie vererben.

So grüne Kranz, und Rose blüh' darin! -
Glückauf der Sänger hat das Wort gefunden;
Feige Verzagtheit, flieh' und fahre hin,
Nun sprech' ich's aus, was ich gerührt empfunden.
Denn Clio, milder als sonst ihre Art,
Sprach scheidend: "Alter, schild're diese Glorie!"
Da wird der Barde mit dem grauen Bart
Beschämt, doch glücklich, Herold der Historie.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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