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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
An Franz Grillparzer
Prolog zu einer Vorlesung des
"Ottokar."
(Berlin 1840.)
Ich grüße Dich, vor dessen schönem Werke
Ich nun mit bangender Begeist'rung steh'.
Und wie ich Wahrheit, deutsche Treu' und Stärke
Poetisch reich darin vereinigt seh',
Fühl' ich den Wunsch, daß mir's gelingen möchte,
Dein würdiger Vertreter heut' zu sein,
Und Deinem tief-erkannten Dichter-Rechte
Durch meinen Ausdruck vollen Werth zu leih'n.
Der Wunsch ist kühn; zu mächtig das Gebilde,
Zu schwach bleibt auch des besten Willens Kraft:
Entgegen steh'n sich fromme Herrschermilde,
Und wilder Herrschsucht starre Leidenschaft,
Getrennt vom Schlachtlärm blutiger Historie,
Im Tod versöhnet durch poet'sche Glorie.
Und hat Dich, deutscher Lande echten Sohn,
Erkannt, wie Du verdienst, die Nation?
Hat Dich erkannt die flücht'ge Welt der Bretter?
Sie betet an so viele fremde Götter,
(Ach, leider nicht die Götter nur allein,
Auch viele Götzen bei der Lampen Schein;)
Hat sie Dich eingeführt in's bunte Leben,
Und Deinen Worten Klang und Form gegeben?
Nicht immer g'nügte sie des Dankes Pflicht,
Zum Mindesten nicht gegen dies Gedicht;
Darum geschieht es, daß Dich Viele nennen,
Wie man so Manches kennt, ohn' es zu kennen;
Darum geschah es, daß Dein Ottokar
Die Stelle nicht errang, die ihm verheißen war,
Als Du, geweiht von heil'ger Gluth der Musen,
Ihn aufbeschworen aus dem vollen Busen.
Ich bin, - ja, ich erkenn' es, - nicht der Mann,
Der ihn auf diese Stelle führen kann;
Doch thu' ein Jeder nur nach seiner Weise.
So führ' ich Dich, o Dichter, diesem Kreise,
Der antheilsmild und sinnig, Jahr um Jahr,
Zu schönem Zwecke hier versammelt war,
In guter Absicht vor, und darf es hoffen:
Dir sind die Geister wie die Herzen offen.
Nehmt denn vorlieb mit dem, was ich vermag!
Und nimm's auch Du!
Wir
waren einst verbunden;
So mancher Winter-Abend, Sommer-Tag
Bracht' uns gesellig-frohe Dichterstunden
Im Wiener Lustverein. Da stand "ein Stern"
Mit freud'gem Glanz vor unsern klaren Blicken.
Glänz' er mir jetzt!
Weil'st
Du auch noch so fern,
Ich darf Dir freundliche Gedanken schicken.
In seinem Werk' kommt uns der Dichter nah',
Und wenn Du uns begeisterst bist Du da.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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