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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Epilog am letzten Abende meiner Vorlesungen in Lübeck

(1848.)

Kommt wieder ein Wanderer gezogen,
Gehört zu der reisenden Künstlerschaar;
Man ist der Gattung nicht sehr gewogen,
Sie stellt sich oft bedenklich dar.

Sie singen, sie tanzen, sie flöten und fiedeln,
Sie spielen, sie reden, - sie jammern auch,
Doch wo sie versuchen sich anzusiedeln,
Verlangen sie Geld; das ist ihr Brauch.

Magst du die Thüre fest verrammeln,
Sie dringen ein bei Jung und Alt,
Sie wollen Subscribenten sammeln
Und kommst du nicht willig, sie brauchen Gewalt.

Weh' dir, gequälter Familienvater!
Sie schwatzen auch dir Billette an,
Und warst doch Sonntags erst im Theater?! -
Wie Einen die Kunst nur quälen kann!

Kunstreisende - und gewisse Insekten,
Der Winter bringt jene, der Sommer die;
Als ob sie in einem Brütofen heckten,
Es wimmelt von ihnen, man tilgt sie nie.

Da bin ich eben auch angekommen
In dieser alten berühmten Stadt,
Wobei mich gar nicht Wunder genommen,
Daß man mich kühl empfangen hat.

Daß, wo ich mich ergebenst zu zeigen,
Anklopfte mit schüchternem Wanderstab,
Man meinem Gruße verbindliches Schweigen,
Als vielberedete Antwort gab.

Ich dachte bei mir: auf deinen Füßen
Stehst du ja doch am Ende fest;
's ist besser, daß sie dich kühl begrüßen,
Als daß man dich nachher kalt entläßt;

D'rum wag' es nur; frisch auf, zur Sache!
Wo Bildung herrscht, hilft sich der Mann.
Wenn ich meine Streiche nur leidlich mache,
Erkennen sie mich auch freundlich an.

Und ich erschien vor kleinerem Kreise,
Doch dieser Kreis vergrößerte sich,
Und jetzt, wo ich von daunen reise,
Jetzt ehret seine Fülle mich.

Mit lautem Danke darf ich scheiden,
Mit frohem Dank' aus innerster Brust.
Die Trennung ist zwar immer ein Leiden,
Erinnerung ist immer Lust.

Ich werde Lübeck nie vergessen,
Wer aber denket hier wohl mein?
Der Wand'rer pilgert, unterdessen
Wird bald sein Bild verflogen sein.

Nur manchmal, wenn es schneit, wenn's wettert,
Wenn warm im traulichen Gemach,
Eine Hand in Shakspeare's Werken blättert, ..
Sie schlägt eine schöne Stelle nach, ...

Da blickt bescheiden, ohne zu stören,
Ein bleich-graubärtiges Angesicht
Ueber's Buch, man glaubt, eine Stimme zu hören,
Und ganz vergessen bin ich nicht.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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