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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Für die Schauspielerin Hebbel,
geborne Enghaus.
Es fragt der Geist: wo soll ich wohnen?
Wo find' ich mir ein irdisch' Nest?
Weil sich auf hoher Wipfel Kronen,
Auf Thürmen, Meeren, Helikonen
Nicht ewig schweifend schaffen läßt?
Ein irdisch' Nest, wer weis't mir's zu,
Mit heit'rem Frieden, Liebe, Ruh'?
Und aus dem Schatten dunklen Haines,
Wo Tauben girren, wo der Bach
Am grünen Saum des Wiesenraines
Harmonisch flüstert; wo zum Dach'
Das Laub sich wölbt, ein Echo sprach:
"Versenke Deinen stolzen Schmerz
O Geist, in eines Weibes Herz."
"Ein weiblich Herz, d'rin sollst Du wohnen,
Ein Herz lass' Deine Heimat sein.
Ringst Du auch stets nach Lorberkronen,
Und schweifst Du kühn nach allen Zonen,
Kehr' immer wieder kindlich ein
In's heimatliche Herz; in's Nest;
Das halte warm, das halte fest."
Gesagt, gethan! Im besten Herzen
Hat sich der Geist sein Nest gemacht;
Dort hab' ich selbst einmal im Märzen
In einer lauen Frühlingsnacht
Den Beiden meinen Gruß gebracht.
Gott segne Dich, Du gutes Herz
Und schütze Dich vor Erdenschmerz.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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