Für einen jungen Virtuosen

(1847.)

Die Künstler irren durch die Welt,
Wohl unter weitem Himmelszelt;
Bald ist es heiß, bald ist es kalt,
Der Eine jung, der And're alt,
Mit schwarzem Haar, mit grauem Bart,
Ein Jeder eben in seiner Art:
Der Eine spricht, der And're geigt,
Der Dritte singt, der Vierte zeigt
Was eines Fünften Hand erschuf...
Verschieden ist der Armen Beruf.
In Einem sind sie sich gleich gestellt,
Sie trachten All' nach Glück und Geld,
Sie schlagen sich mühsam durch die Welt.

Ich treib' es schon gar lange so,
Bin heute traurig, morgen froh,
Bin heute verzagt, hab' morgen Muth.
Doch seh' ich dann ein junges Blut,
Das auf den holprichen Wegen schwankt,
Vor Wehmuth und Sehnsucht fast erkrankt,
Da regt sich in der Brust mein Herz,
Vergesse eig'nen bei fremdem Schmerz
Und stieg am Liebsten in mein Grab,
Dem Erdenlärm entfliehend, hinab.

Was ist denn all' das Geschrei von der Kunst?
Ein eitler Schein, ein blauer Dunst,
Ein täuschender Nebel, der bald verweht,
So lange die Kunst nach Brodte geht.

Was ist am Ende das Publikum?
Du streichst auf Deinen vier Saiten herum,
Erprobend, wo es zu packen sei?
Und kannst ihm von keiner Seite bei.

Da haben sie Dich, Du armes Kind,
Hinausgestoßen in Schnee und Wind:
Du quälst Dich ab; Dein Spiel erklingt,
Als wär' es heiter? Indessen ringt
Dein junges Herz mit Lebensgram,
Die Jugend flieht, fast eh' sie kam;
Mit achtzehn Jahren bist Du ein Greis,
Der vom Ernste des Daseins zu singen weiß.

So tauche, was Gott Dir gönnen mag,
Dich eine Stunde an jedem Tag
Tief in die Fluth der Harmonie
Und träume Dich selig in Melodie.
Vergiß die Erde, vergiß die Zeit,
Die Noth des Lebens, der Menschen Neid.
Wenn dann der zitternde Ton erbebt,
Wenn die Seele mit ihm zum Himmel schwebt,
Gedenke der Kindheit, der Heimat Dein -
Und in Thränen wirst Du glücklich sein.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880

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