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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Für Fräulein Ida v. M.

(Wien 1841.)

Ein Dichter ist als wie ein Baum
Und seine Blüten sind die Lieder,
Da schüttelt er im Frühlingstraum
Sein volles Haupt wohl hin und wieder,
Vom Sturm bewegt, von Lust und Weh, -
Und rings umher fällt Blütenschnee.

Daneben ist Dein zierlich' Buch
Vergleichbar einem reinen Tuch;
Das breitest Du, so hold, so munter,
Erwartend manchem Baume unter
Und blickst gar lieblich in die Höh',
Und fragst: wann fällt der Blütenschnee?

So hast Du mir's auch hingelegt. -
Nun ja, vom Sturm ward ich bewegt,
Vom Weh' durchstürmt. Jedoch von Lust
Ist mir zur Zeit nicht viel bewußt;
Lust, Hoffnung, Liebe sind verschwunden,
Es hat der Herbst sich eingefunden.

Es hat der Herbst gar früh entlaubt
Mein, einst im Frühling volles Haupt;
Es schickt der Herbst die düst'ren Wetter
Da fallen halbvergelbte Blätter,
Nicht Blüten fallen auf Dein Tuch,
Nicht frische Lieder in Dein Buch.
Du hast es mir, - o flüchtig Leben! -
Um zwanzig Jahre zu spät gegeben.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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