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Gedichte
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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Prolog zum Concerte des katholischen Frauenvereins

Gräz am 22. December 1853.

Da droben sitzt der lange Büchermacher
In seiner stillen Klause, sinnt
Indem er dünne Fäden sorgsam spinnt,
Auf Gönner, wie auf Widersacher,
Die seinen dürft'gen Werken er gewinnt;
Und hört nicht auf, zu weben,
Zu zweifeln nicht, zu hoffen und zu streben,
Einsam und abgetrennt
Von dem Geräusch der Welt. Man nennt
Das eben auch, das heißt, man nennt es leben.

Und wie von ernsten Träumen eingehüllt,
Er das Papier mit krausen Zeichen füllt,
Da treten ed'le Frauen bei ihm ein:
"Erheb' Dich, wir bedürfen Dein.
Es soll ein grüner Weihnachtsbaum
Für arme Kinder bunt sich schmücken.
Ein flücht'ger Traum
Von Jugendlust und kindischem Entzücken,
Der Kleinen Dasein, - wenn auch kurz, - beglücken.
Im Reich' der Harmonie
Einsammeln wollen wir wohlthät'ge Gaben.
Wir brauchen Dich dazu. Wir haben
Gerechnet auch auf Poesie,
Der Tonkunst Schwester, weil ihr Gruß
Den Gebern freundlich danken muß.
So sprich' es aus, in leicht-gereimten Zeilen,
Und ohne Weilen."

Der Dichter klagt: was gilt denn ein Gedicht,
Wenn es ein großer Meister nicht,
Wenn es ein grauer Schüler hat geschrieben?
Was ist's? Ein welkes Blatt,
Vom kalten Winde hin und her getrieben;
Ein Blümchen farblos matt;
Ein schwacher Vogel, dessen Schwingen
Kaum durch die grauen Nebel dringen.
Dem, der es sang,
Dem es mit angebor'ner Weise
Wie Heimatsklang zum Herzen drang,
Dem tönt es wohl vertraut und leise,
Weil es als Echo wiederhallt.
Jedoch die Menge läßt es kalt.
Das Blümchen, so ich hier bei mir gepflegt,
Versorgt, gehegt,
In meiner Zelle giebt es Duft.
Wer spürt ihn draußen in der weiten Luft?
Der Vogel, den ich selbst erzog
Im Schutze meiner kahlen Wände,
Sang er, und flatterte und flog.
Doch kommt er dann in fremde Hände,
Zeigt sich, wie spärlich sein Gefieder,
Und ach, er singt nicht wieder.

"Wohlan, so trag' aus Deinem Haus',
Was Du erzogen selbst hinaus.
Tritt vor die Welt und leg' es dar.
Sei's Blatt, sei's Blümchen, Vogel klein,
Gleichviel; nur komm' und stell' Dich ein."

Ich alter Mann mit langem Haar,
Mit wirrem Bart,
Zahnlosem Munde, blassen Wangen,
Fern von der feinen Form und Art
Die Mode lehrt? Welch' ein Verlangen?
Wem kann's behagen mich zu seh'n?
Ich würde ja der Töne Fest nur stören.

"Ach, sei kein Thor; entschließ Dich mitzugeh'n.
Wer will Dich seh'n? Man will nur hören,
Was Dir gelingt, hübsch deutlich uns zu sagen;
Und fällt Dir halbweg's 'was Gescheidtes ein,
So darfst Du's wagen.
Es gilt den Zweck. Und dieser gilt allein."

Da haben sie mich denn hinausgeschickt,
Und eh' ich kam hab' ich umhergeblickt.
Hab' mir gedacht in meinem Sinn:
Ein Glück, daß ich der Erste bin.
Denn wär' ich hinterdrein gekommen,
Wer weiß, wie man mich aufgenommen?
Ein Jeder sagt sich jetzt:
Das Beste kommt zuletzt.
Und wer das sagt, fürwahr, der hat's getroffen,
Denn auf das Beste dürft Ihr hoffen.

Vom Perlenbache, die Fischerin,
Stets emsig hat sie geangelt;
An köstlicher Beute, an schönem Gewinn,
Wohl hat es ihr nie gemangelt.
Die Perlen, die Perlen so klar, so rein,
O welch' ein herrlich Geschmeide!
Sie wollt' es der Kunst, der wahren allein,
Darbringen zur Lust, wie zum Leide;
D'rum löste sie Perlen in Thränen auf,
Wenn die tragische Muse so wollte;
D'rum ließ sie heitern Tönen den Lauf
Wo die Heiterkeit siegen sollte.

Sei gegrüßt in den Bergen, Fischer-Paar!
Nun die Sterne hierher Dich brachten,
Gern bringst Du hier Deine Schätze dar. -
Da heißt's, diese Fischer achten.

Und zum Erstenmal' seit Jahren,
Die von schwarzem Trauerflor
Trüb' umhüllt und düster waren,
Schreitet wieder ein Talent hervor,
Ein bekanntes, hochverehrtes,
Geistbegabtes, langentbehrtes,
Daß sich nun daran erfreue,
Wer, was aus der Seele geht,
Mit der Seele auch versteht,
Aufzunehmen, Daß sich nun erneue,
Oft gefühlte Dankbarkeit,
Jener Edlen zugewendet,
Die, was ihr Euterpe leiht,
Anmuthreich mit vollen Händen spendet.

Und noch manche Finger, Kehlen sind geschäftig,
Daß es fröhlich, ernsthaft, lieblich, kräftig,
Daß es mächtig klinge, schalle,
Wie ein Meer von Tönen walle;
Daß die Wogen bis zum Wald hinein
Flüstern bei der Wintersterne Schein:
D'rin sie wecken aus dem kalten Traum'
Einen schlanken grünen Tannenbaum,
Dessen Aeste in das Dunkel ragen.
Diesem wollen sie die Kunde sagen,
Von der Christnacht, von dem ew'gen Kind,
Weil der Kinder Fest beginnt.

Mit viel verschiedenen Gaben,
Umhangen wird das Tannengrün.
Die Kinder wollen auch Lichtlein haben, -
Da mögen die lieben Sternlein glüh'n,
Wo jeder leuchtet und flimmert;
Auf eisigem Silber schimmert
Sein frommer, goldener Wiederglanz.
Und rings auf beschneiten Zweigen,
Die Töne bilden den Reigen,
Die Töne in rhythmischem Tanz.

Da beginnt der Wald zu rauschen;
Die kleinen Bäume lauschen
Der himmlischen Weise, die klingt
Wie Orgelklang feierlich singt:
Mensch, Dir ward die Kunst verlieh'n,
Nur als göttlich' Lehn auf Erden.
D'rum lass' Deine Melodie'n,
Deine ird'schen Harmonie'n,
Lass' sie wieder göttlich werden;
Reinige sie (der Habsucht Raub)
Reinige sie vom Erdenstaub;
Widme der Armuth, was Dir die Gunst
Hoher Mächte reichlich gegeben;
Heilige so die Verirrte im Leben,
Heilige wieder die heilige Kunst!

Das hat im Wald geklungen
Der ernste Orgelklang.
Ich hab' es nachgesungen,
Mit meinem schwachen Sang.
Mich hat ein Traum bezwungen?
Doch aber war's kein Traum, -
Ich seh' ihn ja den Baum,
Er prangt in diesem Raum.
Für Winter-Tannengrün
Gilt eif'riges Bemüh'n;
Und seine hellen Lichter
Sind strahlende Gesichter;
Und seine Flammenkerzen
Sind liebevolle Herzen.
Die brachten freudig dar,
Was armer Kinder Schaar
Erquickt, erwärmt, erfreut. -
Den Dank empfangt Ihr heut.
Den Lohn, - wir glauben kaum,
Daß Ihr wollt Lohn verlangen?
Doch mögt Ihr ihn empfangen,
Vom eig'nen Weihnachtsbaum.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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