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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Prolog zur Eröffnung der Bühne in Mitau

1838.

Wer auf der vorgeschrieb'nen Bahn des Lebens,
Der Pflicht genügend, strebend wandern muß,
Der - was auch immer sein Beruf erford're -
Ermattet wohl im Laufe des Geschäfts,
Im Einerlei des steten Tagewerks;
Und sehnt sich dann nach einem heit'ren Wechsel,
Nach irgend einem mächtigen Ereigniß,
Um sich und seine Kräfte aufzufrischen.

So wir! - Es ist beinah' ein Jahr vergangen,
Seit wir in Riga, fernher, eingezogen,
Das Haupt von jungen Knospen frisch umkränzt,
Vor Augen eine blühend reiche Zukunft.
Nicht alle Knospen sind erblüht. So manche,
Sehr bald erblühend, sind sehr bald verwelkt.
Des Lebens Ernst ist in das Spiel getreten,
Was unvermeidlich bleibt, wo Menschen wirken:
Zwiespalt, getäuschte Hoffnung, Irrthum, Krankheit,
Verdruß und Laune, fremd' und eig'ne Schuld,
Kurz, Alles, was die ganze Welt im Großen
Erlebt und leidet, hat die Welt im Kleinen,
Die wir ja bilden, eben auch erlebt.

Wie könnt' es anders sein? - Nun kommt der Lenz
Und weckt gestorb'ne Blätter wieder auf
Und säuselt neu und lieblich alte Lieder:
Da schwillt des Menschen Brust im Reisedrang,
In unbestimmtem, unerklärtem Sehnen;
Der Städte Mauern werden eng und düster,
Wer frei sich fühlt, der pilgert gern in's Grüne. -
Wir sah'n sie zieh'n, die frühlingslust'gen Schaaren,
Dem jungen Mai und seiner Lockung folgend,
Sah'n ihnen nach mit bangem, trübem Blick
Und fanden unser kleines Haus verödet.
Da plötzlich tönt das Wort: Nach Mitau, auf,
Auch Ihr dürft wandern! Ist es gleich nicht weit
Das Reise-Ziel, doch aber ist es schön,
Die Stadt ein Garten, und man sieht Euch gern."

Da sind wir nun! - Die Mühen des Geschäfts,
Den Staub des Tagewerks, die Last der Arbeit,
Des Daseins Noth und Sorge haben wir
Nicht mitgebracht. Wir gleichen Gärtnern, mein' ich,
Die mühevoll gepflanzt, gebaut, gesä't,
Ein langes Jahr, und den Ertrag des Jahres
In Blumen, Zweigen, Früchten, bunt vereinigt
Zu Markte bringen. Möchtet Ihr, Verehrte,
Euch an dem Duft der leichten, frischen Gaben
So harmlos freu'n, daß Niemand Zeit gewänne,
An Fleiß und Mühe nur dabei zu denken,
Daß Jeder, leichten Sinn's, sie freudig nähme,
Und Jeder uns den flücht'gen Dank gewährte.

Wir werden Manches bieten, was, der Zeit
Und ihren nicht'gen Formen angehörig,
Nur schwach und unbedeutend erust'rem Sinne
Erscheinen muß. Das liegt im Lauf der Dinge!
Wir können keine Dichter schaffen! Haben wir
Ja doch genug zu thun, wenn wir das Wort,
Das sie uns leih'n, lebendig machen sollen.

Doch uns're Achtung dieser edlen Stadt
Gebührend zu beweisen, Euch zu zeigen,
Wie wir den Sitz gesellig geist'ger Bildung
Hier anerkennen, treten heute wir
Mit einem alten, oft bestrittenen,
Doch nie besiegten Werk vor Euch; mit unseres
Großmeisters Lessing's: "Minna". Lessing ist
Ein anerkannter Herzog deutscher Geister.
So flatt're seine Fahne uns voran!
Wir folgen muthig, rüstig, Mann für Mann.
Seht Ihr solch leuchtend Heeres-Zeichen wallen,
Wird Euer Ruf uns froh entgegen schallen.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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