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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Prolog zur Eröffnung eines vom katholischen Frauenvereine in
Gräz veranstalteten Concertes
(1852.)
Aus all' dem Wahnsinn, den die "neue Zeit,"
Als eig'ne Weisheit schreiend angepriesen,
Ist wohl die Fabel von "Glückseligkeit,
An welche jeder Erdenmensch gewiesen,
Und welche einem Jeglichen gebührt,"
Der traurigste; weil er so viele Arme
Zu eit'len Träumen täuschend hat verführt;
Weil er dem rohen, mißvergnügten Schwarme
Der Müßiggänger Vorwand hat gegeben,
Mit kind'schem Trotze wider Gottes Macht,
Sich gegen Gottes Willen zu erheben;
Weil er zwiefachen Jammer uns gebracht.
Als könnte je ein irdisches Beginnen
Dem ew'gen Schicksal, das die Sterne lenkt,
Auch nur den kleinsten Vorsprung abgewinnen?
O Wahnsinn, frecher Wahnsinn, der das denkt!
So lang' es Staub-Gebor'ne gab; so lange,
Von Furcht und Hoffnung wechselnd angeregt,
Der Menschen Schaar mit ungewissem Drange
Nach einem fernen Lande sich bewegt;
So lange sie auf dieser glatten Brücke,
Die Zeit und Ewigkeit verbinden soll
Umhergetappt, - sei's nun gestützt vom Glücke
Und tausend kühner stolzer Pläne voll; -
Sei's in des Unglücks düst'ren Irrgewinden; -
Wir seh'n, daß eine Zeit der andern gleicht;
Wir werden stets uns selber wieder finden,
So weit das Auge der Geschichte reicht.
Ja, Reich und Arm. Das sind die Gegensätze,
Die ewig starr sich gegenüber steh'n;
Ob wir nun äuß're Güter, bunte Schätze
Betrachtend, nur in solchen Reichthum seh'n?
Ob wir der höhern Geistes-Herzens-Gaben
Gottsel'ge Freude, deren innern Werth,
Des Himmels Reichthum nur im Sinne haben?
Niemals ward Allen gleiches Loos gewährt.
Des Leibes Schönheit, der Gesundheit Fülle,
Des Körpers Kraft schmückt Jenen wunderbar;
Und Dieser wieder stellt in dürft'ger Hülle
Des Siechthums kränkelnde Erscheinung dar.
In weicher Wiege sangen süße Sänge
Den Einen zu anmuth'gen Träumen ein;
Der And're, bang verloren in der Menge,
Stand schon als Kind verlassen und allein.
Dem Einen öffnet unermeß'nes Wissen
Ein morgenreines sonnenklares Reich,
Fast spielend beut er allen Hindernissen
Die kühne Stirn, wird so den Weisen gleich;
Der And're strebt mit seinem besten Willen,
Doch wie er sich bemüht und ängstlich quält,
Er kann den Durst des Geistes niemals stillen,
Weil ihm die angeborne Gabe fehlt.
Und was dem jungen, stolzen, reichen Erben
Von reichen Eltern als Vermächtniß fiel,
Weiß schlau und fleißig Jener zu erwerben,
Verfolgend des Besitzes lockend' Ziel;
Doch Dieser, wie er sorge, rechne, wache,
Vergeblich Sorge, Rechnung, Müh' und Pein,
Das Glück weilt niemals unter seinem Dache,
Er wird Zeitlebens doch ein Bettler sein. -
So ist's! So war's! Wir können nie ergründen
Der Urgesetze unverrückten Plan.
Dem Erdgeschlechte Gleichheit zu verkünden
Ist böser Wille, oder blöder Wahn.
Wer wollte sich und And're so betrügen?
Wir sämmtlich Pilger an dem Wanderstab,
Wir können nichts, als uns in Demuth fügen,
Menschlich vermitteln, was ein Gott uns gab.
Dir gab Er Anmuth, - bilde Deine Triebe
Zu sanfter Huld gefällig, freundlich aus,
Sei hold, sei gütig, sei das Bild der Liebe
Und pflege sorgsam Deinen Blumenstrauß.
Dir gab Er Geist, - lass' Ihn durch diesen walten,
Erleuchte was Dir naht mit mildem Licht,
Damit im Licht die Keime sich entfalten,
Die welken würden, wenn's daran gebricht.
Dir gab Er Gold, - lass' menschliches Erbarmen
Wie Frühlingshauch durch Eises Rinden weh'n,
Bedenke, daß die Frierenden und Armen
In ihrer Noth empor nach Hülfe seh'n.
Und sucht die Armen nicht auf Märkten, Gassen.
Das sind die Rechten nicht, die plärrend da
Sich bei'm Spaziergang leicht beschenken lassen.
Die Aermsten sind, die Niemand weinen sah;
Die in des Jammers Höhlen wie vergraben,
Im Kampfe zwischen Krankheit, Hunger, Tod
Sich ritterlich und brav gewehret haben,
Sammt ihren Kindern um den Bissen Brod.
Die bettelarm an Allem, nur an Einem:
An Ehre reich, erfüllt von heil'ger Scham,
Dem lieben Gott allein, sonst Keinem, Keinem
Erschlossen ihres Busens schweren Gram.
Bebt nicht zurück vor feuchten Moderdüften,
Entsetzt Euch nicht vor ekelhafter Pein;
Nein, dringet kühn zu ihren kalten Grüften,
Nehmt Engeln gleich vom Eingang weg den Stein,
Auf daß der Auferstehung Götterkunde,
Wie Osterklang mit himmel-hellem Ruf
Zu ihnen dringe in geweihter Stunde! -
Das ist der Frauen herrlichster Veruf.
So seid gegrüßt hier, in der Frauen Namen,
Die sich gesellt zu tröstendem Verein,
Gegrüßet Alle die des Weges kamen,
Von uns'rem Wirken Zeugen heut' zu sein.
Schließt Euch uns an. Wir künden's ohne Zagen,
Wir sprechen's aus, nicht fürchtend Hohn und Spott,
Daß wir die Gleichheit nur im Herzen tragen,
Und keine Freiheit kennen, als in Gott.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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