162 Bücher
|
Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Prolog zur Wiedereröffnung der Bühne in Riga,
gesprochen von dem Unternehmer Franz
Thomé.
(1853.)
Vor sechszehn Jahren stand auf diesen Brettern,
Um diese Zeit, zu eben dieser Stunde,
So wie ich heute: dankend, fragend, bittend
Ein aus der Fremde Eingewanderter.
Aus Oest'reich's Bergen kam auch er, gleich mir.
Er ist's, der Alte, der durch meinen Mund
Zu Ihnen redet. Seine Worte sind es,
Womit ich uns'res Strebens künft'gen Schauplatz
Eröffnen will.
"Ich
habe, (sagt' er mir,
Da wir uns trennten,) ja, ich hab' ein Recht,
Durch Dich, den Freund, die Gönner anzureden,
Die mich in langen Jahren nicht vergaßen.
O trage meiner Seele treu' Gefühl
Auf weiter Reise durch der Welt Gewühl;
Durch Thal und Hügel trag', durch Lust und Schmerzen,
Den Ruf des Herzens an die edlen Herzen
Und sei gewiß: wer wahr und innig spricht,
Verfehlt in Riga seine Wirkung nicht.
Dort hat die Zeit mit ihrem Besserwissen,
Mit ihrem fieberhaften Vorwärtsschrei'n
Noch des Behagens Bande nicht zerrissen,
Dort mag der Musen heiter' Spiel gedeih'n.
Dort findest Du, gedeckt vom festen Schilde
Gewalt'ger Herrschaft, riesenstarker Macht,
Empfänglichkeit und bürgerliche Milde
Bei feiner Bildung, bei großmüth'ger Pracht.
Dort schalten Männer, die Erfahrung haben,
Dort walten Frauen frauenhaft und zart,
Doch vor dem Eingriff übermüth'ger Knaben
Und Weltverbess'rer hält man sich verwahrt.
Dort ist das Fremde gern und wohl gelitten,
Wo man es gastfrei überall empfängt,
Doch hat es noch althergebrachte Sitten,
Hat Ehrfurcht vor den Vätern nicht verdrängt.
Die Krittelei verkümmert nicht jedweden
Wohlmeinenden Versuch; man freut sich gern,
Entschuldigt Mängel, läßt Gelung'nes reden,
Sucht in der Schale auch der Absicht Kern.
In Riga ward der Reichthum nie zur Waffe,
Die kalt-feindselig gegen Armuth ficht;
Zum Mittel ward er, daß er Gutes schaffe:
Wohlthätigkeit heißt dort die schönste Pflicht.
D'rum küßt der breite Strom in vollen Wellen
So stolz die Ufer, darum dienet er
So gern den Schiffen, deren Segel schwellen,
Wohlstand zu fördern über's Balt'sche Meer.
D'rum blüht der Sommer auch auf sand'gen Dünen
So frisch, so duftig, blumenvoll und rein.
Dort wäre Norden? An dem Strand? Im Grünen?
Wo Liebe waltet, da muß Süden sein;
Der wahre Süden, dessen inn're Dauer
Erwärmend siegt ob langer Winterzeit.
Zu Blütenschnee macht er die eis'gen Schauer,
Hegt süße Früchte wahrer Häuslichkeit.
Der Winter wird des Nordens echtes Leben,
Im weißen Priesterkleide weckt er Gunst,
Er lehrt den Geist, sich über Staub erheben,
Er fördert Wissenschaft, beseelt die Kunst.
Was andern Orten flücht'ge Unterhaltung
Kaum bieten mag, der Bühne Scherz und Ernst,
Gewinnt in Riga wichtige Gestaltung,
Wenn Du Dich nicht vom höhern Ziel entfernst;
Wenn Du die Bessern zu befried'gen trachtest,
Wenn Du der Anstalt unermüdlich lebst,
Wenn Du des niedern Vortheils wenig achtest
Und nur die Kunst zu ehren Dich bestrebst.
Dies Alles, weiß ich, (sprach er,) aus Erfahrung;
Ich hab's erprobt, und deshalb achte nun
Auf dies mein Wort, als wär' es Offenbarung;
Befolg' es, - und nichts Klüg'res kannst Du thun!"
So sprach der alte Freund. Er und die Seinen,
Die Tochter mit den Enkeln drängten sich,
In guten Wünschen froh sich zu vereinen,
Um mich, den Reisenden; sie machten mich
So Alt wie Jung zu ihrer Grüße Boten. -
Es galt den Lebenden, - es galt den Todten.
Da bin ich, hier! Getreulich bring' ich wieder,
Was mir gesagt, und leg' es hoffnungsvoll
Vor dieses Kunst-Altares Stufen nieder,
Auf denen ich den Musen opfern soll;
Ich, und die Alle, die sich mir vertrauten;
Die wandernd eingeführt an meiner Hand
Mit regem Eifer, banger Ahnung schauten
In ihrer Zukunft junges Zauberland.
Was bringt sie uns?? -
Der
Segen kommt von Oben.
Mög' er mit uns und unserm Wirken sein!
Ich kann nur Eins aus voller Brust geloben:
Mich Ihrem Dienst unausgesetzt zu weih'n,
In Fleiß und ernstem Willen abzutragen
Die heil'ge Schuld, mir gütig auferlegt
Durch Ihr Vertrau'n.
Was
könnt' ich weiter sagen,
Ergriffen wie ich bin, und tief bewegt?
Statt eitler Worte ziemt ein würdig' Schweigen,
Denn in der That erst muß der Mann sich zeigen.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
|
|