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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
16.
Was brauchen wir nun zu einem Theater
In unserm gesegneten Vaterland?
Wir brauchen ein übergroßes Gebäude,
Darinnen regiert ein Intendant.
Der intendirt für's Erste die Schreiber
Und die Bureau-Beamten um sich,
Den zweiten Rang bekleiden die Schneider:
Das schreibt denn und näht gar fürchterlich.
Der Maler kommt mit seinen Gesellen -
So ist das Wichtigste bereit;
Dann wird man die Oper zusammenstellen,
Die Oper, die Königin uns'rer Zeit.
Da findet sich ein gewaltig Orchester,
Ein eben so gewaltiger Chor,
Die Herren Sänger in hohen Gagen,
In allerhöchster der hohe Tenor.
Die Sängerinnen herbeizuschaffen,
Ist nie zu theuer der gute Rath!
Die bekommen eben, was sie begehren,
Denn diese bilden den Staat im Staat.
Vier Fünftheil des Etats vom Jahre
Sind jetzt schon um die Ecke herum,
Da müssen wir auch an's Schauspiel denken,
Es liebt's noch Mancher im Publikum.
Und mit dem fünften der fünf Theile
Wird das recitirende Drama bezahlt,
In welchen neben sehr schlechten Subjecten
Held Kraft und Fräulein Heulalia strahlt.
Nun kommen die deutschen Theater-Dichter -
Doch die Regie, die gewaltige, spricht:
Was noth thut, liefern uns Uebersetzer,
Die poetischen Floskeln brauchen wir nicht.
Denn sollt' ein Sümmchen übrig bleiben,
Versuchen wir, ein Ballet zu erzieh'n,
Dann ist es bei unserm lieben Theater,
Nach seiner Art, wie in Wien und Berlin.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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