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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



2. Grabgesang

Sie haben Dich hinausgetragen,
Im Stillen, mit verhalt'nem Schmerz,
Mit Widerstreben und mit Zagen,
Du reines, treues, edles Herz.

Da tönten keine Trauersänge,
Es folgte Dir kein Feierzug,
Kein liebend-weinendes Gedränge,
Und nur die kalte Glocke schlug.

Die Du im blühend vollen Leben
So lieblich warst, so hold, so mild,
Nur Lust gespendet, Glück gegeben,
Der Himmelsgüte wahres Bild;

An Schönheit reich und so bescheiden,
Ein anmuthvolles, reines Weib! -
Wie haben kurze schwere Leiden
Verwüstet Deinen zarten Leib;

Daß er, sonst Abbild wahrer Schöne,
Ein Abscheu nun geworden war;
Daß nun sein Anblick Schreckenstöne
Und Schauder, Angst und Furcht gebar!?

Daß man in banger Eile strebte,
Dich zu entfernen, die der Blick
So gerne suchte, weil sie lebte!?
Dich, Ida!? Gott, welch' ein Geschick!

An Deinem Grabe sollten Schaaren
Von tiefbetrübten Freunden steh'n;
Da sollten, in bethränten Haaren,
Die allergrünsten Kränze weh'n;

Da sollten sich der Seele Klagen
In Leid und Lied ergießen, laut,
Und unsern Jammer aufwärts tragen
Zu Dir, Du heil'ge Todesbraut!

Da sollten Deine Kinder hören,
Wie wir geliebt Dich, wie verehrt;
Da sollten sie es laut beschwören,
Zu würdigen der Mutter Werth.

O konnte nicht ein Engel lächeln,
Der liebend Dich von hinnen nahm,
Mit Lilien Dich sanft umfächeln,
Als Deine letzte Stunde kam?

Weh' uns! Von Pestgewölk' umgeben,
Mit giftgeschwoll'nem Drachen-Haupt,
Erschien der Würger, brach ein Leben,
An das wir liebend froh geglaubt.

D'rum haben sie Dich fortgetragen,
Im Stillen, mit verhalt'nem Schmerz,
Mit Widerstreben und mit Zagen,
Du reines, treues, edles Herz.

Wer aber mag die Liebe hindern,
Daß sie in Liedern sich ergießt?
Wer kann den Strom der Thränen mindern,
Wenn er gewaltsam, glühend fließt?

So strömt ihr Thränen, klinget Lieder,
Bis mir der Himmel Tröstung giebt;
In jenen Herzen hallet wieder,
Die sie gekannt und auch geliebt.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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