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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
An Friedrich von Raumer
Mel. Was hör' ich
draußen vor dem Thor u.
Es giebt ein unerschöpflich Meer
Voll edelster Genüsse;
In seine Tiefen strömt das Heer
So groß als kleiner Flüsse;
Es braus't und rauscht, es schwillt und fließt,
Es wallt, es wogt - und All' ergießt
Sich in des Meeres Weiten.
O welch ein Schatz ist da versenkt! -
Du schwimmst in sich'rem Nachen,
Dir, wo Dein Arm das Steuer lenkt,
Gewaltig Bahn zu machen;
Du bringst mit immer fleiß'ger Hand
Die reinsten Gaben an das Land
Und weihest sie dem Lichte.
Die Ufer aber sind umrankt
Von Blumen, Stauden, Bäumen.
Bisweilen ruhst Du aus; dann schwankt
Dein Kahn zu schönen Räumen,
Dann treibt er unter'n Blütenhang;
Du lauschest lieblichem Gesang,
Gestützt auf Folianten.
Ein Gleichniß nur! Das Meer ist ja
Urewige Historie,
Auf dessen Grund Dein Auge sah
Des Vaterlandes Glorie.
Die blüthenvollen Ufer sind
Der Künste Land, das sanft und lind
Dem Kahn Zephyre sendet.
Wenn Liebe, Freundschaft, Heiterkeit
Dich immer treu umgeben;
Wenn Zukunft und Vergangenheit
Die Gegenwart umschweben;
Geschichte, Kunst und Poesie,
Der Tonkunst hehre Harmonie -
Was kann Dir da noch fehlen?
Du bist beglückt! Nun trage leicht
So wohldurchwallte Jahre;
Wenn Lebenswinter Dich erreicht
Im Schnee ergrauter Haare:
Dann decke sie mit mildem Grün
Der Trauerweiden, die Du kühn
Auf Heldengräber pflanztest.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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