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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Auf dem Schloßberge
(Gräz, Juni 1853.)
Die Sonne sinkt. - Ein Leser sitzt allein,
Vor sich ein Buch, ein Buch gedieg'ner Thaten;
Bei'm zweifelhaften Dämmer-Abendschein,
Kaum lassen sich die Lettern noch errathen.
Wess' ist das Buch in seiner schwachen Hand?
Das Buch von Schlachten voll, von Kampf und Helden?
Von Aufruhr - und von Treu' für's Vaterland?
Wess' ist das Buch? - Da steht der Name Welden.
Und jedes Blatt verkündet festen Sinn,
Thatkräft'gen Ernst, unwandelbar' Vertrauen,
Und jedes Wort bleibt dauernder Gewinn:
Auf solchen Grundstein darf Geschichte bauen.
Die Sonne sinkt; viel' Amseln lustig flöten,
Erfrischend weht ein Hauch der Alpenluft
Durch zauberisch verhüllte Abendröthen
Und weckt der Bäume, Sträucher Blütenduft.
Aus diesem Buche, heil'gen Krieg zu melden,
Gerüstet hebt sich eines Ritters Haupt,
Und siehe da: der edle Name Welden
Wird von des Schloßbergs grünem Kranz umlaubt.
Aus allen Blüten säuselt milder Klang
Und alle Blätter flüstern diese Weise:
"Er ist der Schöpfer, dem es einst gelang"
"Uns zu erzieh'n; wir wachsen ihm zum Preise."
"Er hat ein unerquicklich' kahl' Gestein"
"In lieblich-frische Gärten umgeschaffen:"
"Er ließ des Friedens Frühlingslust gedeih'n,"
"Auf felsig-hartem Raum der Kriegeswaffen."
"Ihm danken wir das heit're Pflanzenleben."
"O Menschen, die ihr euch an uns entzückt,"
"O dankt Ihm auch. Er hat euch ja gegeben,"
"Was Tausende jahraus, jahrein entzückt."
Da brach sich nun der Sänger eine Blume,
(Der Gärtner hat's erlaubt,) und legte die
Als duftend' Zeichen in das Buch. Vom Ruhme
Des Namens Welden spricht auch sie. Auch sie.
Dann ging er heim und bat die Abendlüfte:
Weil doch der Tapf're leidend ist und krank,
Dringt sanft in seinen Schlaf, ihr Blumendüfte,
Bringt Segensträume Ihm und unsern Dank!
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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