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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Auf den Tod der edlen Sophia Müller
(1831.)
Nun auch Deine frische Jugend
In das kalte Grab gelegt?
Kunst, Gefühl, Verstand und Tugend
Hatten Dich als Kind gehegt;
Gaben Dir des Wortes Walten,
Gaben Dir der Stimme Klang,
Adel Deinen Hochgestalten,
Jedem Athemzug Gesang.
Du dahin? So sinke nieder
Vorhang, der die Bühne deckt,
Hebe dich nicht eher wieder,
Bis ein Gott sie auferweckt!
Schweigt, ihr trauernden Genossen,
Schweigt, in tiefen Schmerz versenkt,
Steht in Thränen hingegossen,
Bis ein Gott sie wieder schenkt.
Aber nein, ihr werdet spielen,
Wie ihr bis hieher gespielt;
Werdet lautes Lob erzielen,
Wie ihr es mit ihr erzielt;
Werdet, ach, zu bald! vergessen
Ihrer Anmuth Götterbild,
Während ihren Leib indessen
Sarg- und Moder-Duft umhüllt.
Und auch ihr, die oft begeistert
Jauchztet, wie in trunk'nem Sinn,
Wenn sich Eurer ganz bemeistert
Deutscher Bühne Königin!
And're werden euch gefallen,
Ihres Schattens Schatten kaum;
Neuer Beifall wird erschallen
In dem hoch geweihten Raum!
In dem Raum, den sie geweihet,
Sie, die Sel'ge, wahrhaft groß. -
So vergeßt nur! Sie verzeihet:
Denn das ist des Mimen Loos!
Ja, vergeßt, ihr Undankbaren,
Die euch Lust gesenkt in's Herz! -
Ich will ewig treu bewahren
Meinen Dank und meinen Schmerz.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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