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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
30.
Bringt den Sarg herein,
Den zart geschmückten,
Weiß und rein
Zum sanften Lager ausgelegt
Mit feinen Linnen
Und zierlichen Franzen.
Und nun senkt
Den geliebten blassen Leichnam
In das kleine Haus;
Weiß bekleidet,
Im Gewande der Unschuld,
Mit Blumen bestreut
Und frischen Myrthenzweigen.
Das Haupt bedeckt die schlichte Haube,
Das Geschenk der mütterlichen Freundin,
Zum letzten Jahrestage.
Um die Rechte gewunden
Ist der Rosenkranz
Vom heiligen Vater in Rom geweiht;
In der Linken ruht
Das kleine Gebetbuch
Mit dem Zeichen des Kreuzes,
Und ein feines Tuch,
Antoniens Gabe,
Sauber gestickt mit Schmetterlingen,
Der Psyche Abbild,
Auf dem Schooß. -
Nun laßt die Schauenden herein,
Männer, Weiber,
Jünglinge und Jungfrauen
Und Kinder.
Sie weinen, sie klagen:
"Und so früh schon mußte
Die Rose verblüh'n?"
Aber die Glocke der Hyazinthe,
Welche das Haupt bekränzt,
Läutet das Lied:
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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