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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Die Gräber

Die Stelle draußen im grünen Wald,
Da ist's im Sommer so kühl,
Da zieht es mich hin mit Allgewalt
Aus des Tages, des Lebens Gewühl;
Da ist es so still; von oben herab
Strömt duftiger Blütenhauch.
Doch unten im Boden ist Grab bei Grab,
Bezeichnet nach frommem Brauch.

Denn als ich einst jung und muthig war,
Da lag ich der Hoffnung im Arm,
Da buhlt' ich mit ihr und sie gebar
Mir einen Kinderschwarm.
Die trug ich, hegt' und pflegte sie,
Sie lächelten kühn mich an;
Bei Tage, bei Nacht, sie ruhten nie,
Ich war ein glücklicher Mann.

Ich ward ein Mann! Ich lebte so
In's große Leben hinein,
Bald war ich düster, war bald froh,
Doch niemals war ich allein:
Die Hoffnungen wuchsen immer mit,
Umsprangen mit Jubelgetön
Des glühenden Vaters raschen Schritt -
Das war so schön, so schön!

Das war so schön! Und ohne Plan
Zog ich dem Ziele nach!
Doch weh'! mein Ziel war nur ein Wahn,
Weil mir's an Glück gebrach.
Da kam ein ernster, strenger Mann -
Sie nannten ihn Gewalt -
Der rührte mir eins der Kinder an,
Gleich wurd' es todeskalt.

So kamen Sitte, Gesetz und Pflicht,
Eins nach dem andern herbei,
Es kam die Strafe, es kam das Gericht,
Und endlich kam die Reu'!
Und all' die Kommenden rührten mir
Ein munt'res Kindlein an;
So welkte ihrer Jugend Zier,
Sie mußten Alle d'ran.

Mild-väterlich begrub ich nun
Sie in dem nahen Hain;
Auf alle Hügel, wo sie ruh'n,
Steckt' ich ein Zweigelein.
Und aus den kleinen Gräbern bebt
Manch' Stimmchen, sanft und lind:
"O sorg', daß man auch dich begräbt,
Wo wir begraben sind!"


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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Die Gräber, Karl von Holtei