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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
18.
Mein Leichtsinn trieb aus neuer schöner Heimat
Die Arme fort. - Die Freunde müssen wir,
Die Kinder selbst zurücke lassen, müssen
In fremde Welt hinaus, was jetzt verloren,
Neu zu erringen! - Bitt're Zwistigkeiten,
Durch meine wilde Unbesonnenheit
Zum Sturm erregt, vertreiben die Geliebte
Von jener Bühne, wo sie allgeliebt
Die Königin der heit'ren Spiele war,
Wo, gern geseh'n, sie glücklich, froh sich fühlte. -
Uns führt der Weg durch Oestreichs Kaiserstaat,
Die theure Vaterstadt, ihr liebes Wien
Begrüßt sie wieder, tritt mit Beifall auf,
In mancher Rolle wird ihr Lob und Ehre.
Bewegten Sinn's spricht sie bei'm letzten Spiel:
"Wer den Musenhain der Vaterstadt
Aengstlich und mit Scheu betrat,
Das war ich!
Wer halb froh, halb wehmuthsvoll gestimmt,
Dankentglüht nun Abschied nimmt,
Das bin ich!"
Denn ach, noch war der Ruh'punct nicht gefunden!
Berlin empfängt noch einmal seine Schülerin,
Ja, bis nach Hamburg führt der Winter uns.
Und dort nun wird ihr endlich sich're Kunde,
Daß sie Berlin jetzt Heimat nennen dürfe!
Da geht's im Fluge fast nach Schlesien,
Die Kinder zu umarmen, die holdsel'gen;
Sie abzuholen, wo ein Friedensport
Uns, ihnen winkt, ein unzerstörlicher. -
Und noch einmal betritt sie jene Bretter,
Von denen sie unsel'ger Zwist getrieben,
Betritt sie triumphirend; alle Dornen
Des Hasses waren nun zu Rosen worden;
Ein Meer von Blumen wallt ihr bunt entgegen,
Wie sie als Suschen vor die Menge tritt;
Der Jubelruf erstickt die Worte ihr,
Und weinend steht sie da, nimmt Kränze bebend
Vom Boden auf, drückt sie an ihre Brust,
Ganz hingegeben heil'ger sel'ger Rührung.
So hat sie nie gespielt wie jenen Abend:
Ihr tief Gefühl brach aus des Herzens Grund,
Die Schüchternheit besiegend, hell hervor:
Ein Jauchzen war's, ein Toben der Entzückten;
Drei Mal ward sie gerufen, drei Mal wollten
Die Hörer ihr des Beifalls Zoll erstatten.
So gab in zweier Wochen kurzem Raum
Sie Suschen, Marianne, Margarethe,
Preciosa, Hannchen, Clärchen, Gurli, Elsbeth,
Gab Julie die lieblich-flötende,
Und endlich noch Pauline und Lisinka.
Und immer war das Schauspielhaus gefüllt,
Ja, immer lauter ward des Beifalls Stimme.
Am letzten Abend, als sie Abschied nahm,
Und tief gerührt das wahre Wort gesprochen:
"Nicht hab' ich sie verdient, Ihr habt sie mir gegeben,
Solch überreiche Huld beglückt für's ganze Leben!
Was ich Euch widme, ist dankbare Huldigung,
Was ich von Euch erfleh' - es ist Erinnerung!"
- Da wollte sie dem Schauspielhaus enteilen,
Um in dem Kreise wahrerprobter Freunde
Die letzten Stunden wehmüthig zu feiern,
Als plötzlich ihrem Wagen - der gefüllt
Von Blumen war und Kränzen - ihrem Wagen
Sich eine Schaar vergnügter Fackelträger
Gesellte. Laute Chöre von Musik
Eröffneten den Zug - dann kam der Wagen,
Von vielen Fackeln, die die Nacht erhellten,
Umgeben; tausend Stimmen riefen ihr
Ein Lebehoch! In allen Straßen regte
Des Volkes Leben sich, und wo sie kam,
Ward sie mit Beifallsruf begrüßt, entlassen!
Das war ein Abend! Von der Lust erdrückt,
Mehr todt als lebend kam sie in ihr Haus.
Und wie der Morgen anbrach, wie die Pflicht,
Die neue rief: Zur Reise nach Berlin,
Da ward Begleitung uns von vielen Freunden,
Von Fremden selbst; - unweit der Stadt ertönte
Der Musensöhne feiernder Gesang
Der Scheidenden; - so, bis zur letzten Stunde,
Ward ihr gehuldigt. Fragen wir uns nun:
Galt das der Künstlerin? So sag' ich: Nein!
Ihr nicht allein! Denn hatte Breslau nicht
In seinen Mauern Fleck geseh'n? Die Bethmann,
Den Iffland, eine Schröder, Catalani -
Wie sonst die Sterne erster Größe heißen?
Und Keinem ward so festlich-hohe Feier. -
So galt es denn der ehrenwerthen Frau,
Die für die Kunst wie für das Leben lebte,
Die mild und sittsam, immer auspruchslos,
Geliebt, verehrt ward - einem Engel gleich;
Die viel gelitten in der bösen Zeit
Des düst'ren Zwiespalts, die von Heerd und Kindern
Sich trennen mußte, die, vom Neid verfolgt
So mancher Bühnen-Helden Ungebühr
Erlitten hatte, duldend ohne Schuld,
Und immer sanft und hold geblieben war;
Der galt der Sturm des Beifalls. - Ihr jedoch,
Die diese Zeilen Ihr jetzt lächelnd les't,
Und jenes Abends wohl dabei gedenkt,
An dem Ihr selber Eure Stimm' erhobt -
Nehmt hier von mir, im Namen der Geschied'nen,
Den besten Dank; denn unvergeßlich blieb
Ihr solche ungemeine Huld. Noch wenig Tage
Vor ihrem Tod' erwähnte sie der Wonne,
Die sie in meiner Vaterstadt empfunden.
Ihr aber, Ihr - die ich nicht nennen will,
Um Euch die Scham zu sparen - Gegner, Ihr,
Die sie geschmäht - vielleicht nur meinetwillen -
Die sie beneidet um des Volkes Gunst -
Sie ist nicht mehr hienieden. Sie ist da,
Wo keine hämischen und höhn'schen Worte
Sie mehr erreichen. - Euch hat sie verzieh'n.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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