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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



35.

Noch steht sie vor mir,
Als Emilia Galotti!
Noch seh' ich sie
Bräutlich geschmückt
In Vaters Arm,
Den Tod erflehend halb,
Und halb ertrotzend;
Sehe sie noch,
Die Rose dem Haar entwindend,
Dem braungelockten,
Und zerpflücken
Im bedeutsamen Spiel.
Höre sie noch den Nachhall
Reinen Todes flöten:
"Ehe der Sturm sie entblättert."
Höre noch den Jubel der Hörer,
Die zum ersten Male
In der Tragödie sie feierten!
Und nun tritt neben jenes Bild
Der entschwundenen, glücklichen Zeit,
Der Zeit, wo sie blühend
Wie die Rose mir lachte,
Tritt das bleiche Antlitz
Der wirklich Sterbenden.
Sie wird nicht mehr mit weichem Ton
Tiefe Gefühle im tiefen Busen erwecken,
Nicht mehr Thränen der Wehmuth
In's Aug' uns locken,
Als nur durch ihr eigen Gedächtniß.
Tod, grausamer Tod,
Was hast du gethan?
Und der düst're Engel,
Die Flügel schwingend,
Spricht dumpf und feierlich:
"Eine Rose gebrochen,
Ehe der Sturm sie entblättert."


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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Noch steht sie vor mir, Karl von Holtei