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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Pius Alexander Wolff und die Rose
Bleich und schwach, von Leiden hager
- Nur das Auge feurig-groß -
Auf dem düstern Krankenlager,
Hingegeben, hoffnungslos,
Sprach er: mir am Duft zu laben
Das ermattete Gemüth,
Möcht' ich eine Rose haben,
Doch die sind wohl schon verblüht?
Und die Freundin kann nicht weilen,
Bis es endlich ihr gelingt,
Eine Knospe zu ereilen,
Die sie schnell dem Freunde bringt.
Im Entzücken drückt der Kranke
Diese Knospe an den Mund,
Giebt in seinem stummen Danke
Seines Herzens Freude kund.
Staunt sie an mit weiten Augen,
Labt sich an dem linden Duft,
Scheint begierig ihn zu saugen,
Fächelt zitternd durch die Luft;
Gleich als wär's ein Hoffnungszeichen,
Drückt er sie und hält sie fest,
Daß sie endlich im Erbleichen
Welkend ihre Frische läßt.
Nacht und Tag ist so vergangen,
Leiser Schlummer findet sich,
Und der Gattin treu Verlangen
Ruft: die Knospe ist für mich;
War sie ihm doch lieb und labend,
Hat doch er sich d'ran ergötzt -
Und so wird sie, noch am Abend,
In ein frisches Glas gesetzt.
Aber als mit hellen Wangen
Sich die Morgensonne zeigt,
Ist die Knospe aufgegangen,
Die sich gestern schon geneigt;
Die am Fieberhauch verglühte,
Welkend in des Kranken Hand,
Stehet nun in voller Blüte
Froh dem Lichte zugewandt.
Wunder! rufen Alle weinend,
Vorbedeutung! Hoffnung! Glück!
Die Genesung, mild erscheinend,
Giebt den Theuren uns zurück.
Und sie jubeln ihm entgegen:
Wolff, sieh' Deine Knospe hier,
Aufgeblüht durch Himmels Segen.
Und dies Zeichen gilt nur Dir.
Ja, ihm galt es! doch erblühen
Sollt' er nicht in Erdenpracht:
Fruchtlos blieb ein treu Bemühen
Und ihn deckt nun Grabesnacht.
Geist, Talent und Herzensgüte
Leben nicht nur in der Zeit,
Denn der Tod ist ja die Blüte
Für die große Ewigkeit.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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