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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Tafellied
zum 28. Januar 1849, beim
Stiftungsfeste des Bremer Handwerker-Vereines "Vorwärts".
Mel. Ueber die Beschwerden dieses Lebens etc.
Seinen Ranzen auf dem Rücken
Zog der Wanderbursch hinaus;
Wird sich's schicken, soll mir's glücken,
:,: Find' ich wohl ein gastlich' Haus. :,:
Bei dem Einen, bei dem Andern
Klopf' ich an von Ort zu Ort,
Müßt' ich auch die Welt durchwandern,
:,: Vorwärts heißt mein Losungswort. :,:
Theure Eltern, Eurer denk' ich,
All' der Meinen denk' ich treu,
Doch hinaus die Schritte lenk' ich,
:,: Ohne Heimweh, ohne Reu'. :,:
Klebe nicht an einer Stelle;
Dumm verbleibt, wer nichts erlebt;
Meister wird nur der Geselle,
:,: Der gehörig vorwärts strebt. :,:
Wack're Füße, rüst'ge Beine,
Guter Magen, weite Brust!
Sei's bei Sturm, bei Sonnenscheine,
:,: Wandern ist des Burschen Lust; :,:
Wandern ist des Burschen Ehre.
Also war der Väter Sinn:
Leben bleibt die beste Lehre,
:,: Vorwärts nur, so bist du d'rin! :,:
Doch die Zeiten brachten wieder
And're Formen, andern Gang,
Neue Regeln, neue Lieder,
:,: Neue Pflichten, neuen Klang. :,:
Jetzt auf glatten Eisenbahnen
Fliegt der Bursche hin und her,
Wandernd lernten uns're Ahnen,
:,: Reisend lernen wir nichts mehr. :,:
Keiner kehrt in nied're Hütten,
Keiner pilgert durch's Gefild;
Städte, Dörfer, Völker, Sitten,
:,: Sieht man wie ein flüchtig Bild. :,:
Kaum geseh'n, will sich's entfernen,
Vorwärts pfeift der Feuermann.
Wer kann's Leben kennen lernen,
:,: Wenn er's kaum betrachten kann? :,:
Darum soll in seinem Innern
Jetzt der Bursch auch vorwärts geh'n,
Soll sich, lernend, stets erinnern,
:,: Was auf Erden ist gescheh'n; :,:
In sich selbst soll er durchleben,
Was die weite Welt durchlebt;
Vorwärts mag er geistig streben,
:,: Wenn er nach dem Rechten strebt. :,:
Immer möge wiederklingen,
Was der große Dichter sprach,
Ja, wo Deutsche Lieder singen,
:,: Hall' es laut im Chore nach: :,:
Vorwärts in dem Reich der Geister,
Wer sein Land von Herzen liebt.
"Die Beschränkung zeigt den Meister,
:,: Wo Gesetz nur Freiheit giebt." :,:
Ungebunden darf hienieden
Keines Menschen Wille sein,
Freier Ordnung, sanftem Frieden
:,: Muß sich auch der Stärkste weih'n. :,:
Vorwärts mag die Losung klingen
Nach der Wahrheit, nach dem Licht,
Nach dem Ziel das wir erringen ...
:,: Doch im Sturm' erringt sich's nicht. :,:
Wollt' aus Winters Eises-Mauern
Ueber Nacht der Frühling blüh'n,
Würde unter kalten Schauern
:,: Seine Wärme bald verglüh'n. :,:
Aber wenn er mild, bedächtig
Vorwärts dringt, ohn' Ungestüm,
Dann schmückt er die Fluren prächtig
:,: Und wir preisen Gott in ihm. :,:
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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