Wanderlied

Eigene Melodie von Holtei.

    Die Laute greif' ich von der Wand
Und kühn in die rauschenden Saiten!
So kann ich fröhlich das ganze Land,
Ein willkommener Sänger durchschreiten!
Zeigt Einer mir wo ein finster Gesicht,
Ich betracht' es nur lächelnd vom Weiten,
Weiß doch, daß mein Lied zu den Herzen spricht:
:,: Nur Muth! :,:
Und immer kühn hinein,
Durch Flur und Feld und Hain,
Und immer guter Dinge!
Ich singe!

    Denn Gott gab mir des Wortes Gewalt,
Gott gab meiner Brust diese Töne.
So preis' ich des Helden Erzgestalt,
So besing' ich die liebliche Schöne;
Die Liebe preis' ich mit hellem Klang,
Ob sie mich auch manchmal verhöhne,
Ob sie mich auch manchmal zu Thränen zwang.
:,: Nur Muth! :,:
Und immer kühn hinein,
Durch Flur und Feld und Hain,
Und immer guter Dinge!
Ich singe!

    Wenn Wahrheit stets die Saiten stimmt,
Dann klingen sie rein wohl und helle;
Wie darob der gelbe Neid schon ergrimmt,
Nie versiegt mir des Liedes Quelle.
Denn der Drang des Lebens erzeugt sie neu,
Sie entströmt ihm, Welle nach Welle.
Lass' es stürmen, Sängerherz, bleibe Du treu!
:,: Nur Muth! :,:
Und immer kühn hinein,
Durch Flur und Feld und Hain,
Und immer guter Dinge!
Ich singe!

    Und wie ich singe, gleich singen mit
Die, denen mein Lied hat gefallen;
So zieh'n wir zusammen in raschem Schritt
Und lassen die Stimmen weit hallen.
Das ist des Sängers herrlichstes Loos,
Wenn im Volk' seine Lieder erschallen;
Und sitz' ich dem Glück auch nicht im Schooß:
:,: Nur Muth :,:
Und immer kühn hinein,
Durch Flur und Feld und Hain,
Und immer guter Dinge!
Ich singe!

    Ja, ich bin arm und bleib' auch arm!
Mag dennoch mein Lied nicht verkaufen,
Sonst kläng's ja nicht mehr eigen und warm,
Ich müßt' es nach Andern erst taufen.
Nein, das sei mir fern! Wie die Zunge nur will,
So lass' ich sie unbesorgt laufen.
Zwar warnt mich Mancher heimlich und still -
:,: Nur Muth! :,:
Und immer kühn hinein,
Durch Flur und Feld und Hain,
Und immer guter Dinge!
Ich singe!


  Karl von Holtei . 1798 - 1880

Expressionisten
Dichter abc