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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
47.
Was ich an ihr geliebet habe,
War nicht des Körpers Lieblichkeit,
Die jetzt verwesen muß im Grabe;
Die hat mich, wie ein schönes Kleid,
Mit Blumen ausgeschmückt, erfreut.
Nur was im Tode nicht verblüht,
Das konnt' ich lieben: ihr Gemüth!
Den reinen Sinn, den geist'gen Funken,
Der ihr die höh're Weihe gab;
Und der ist nicht hinabgesunken
Mit ihrem Leibe in das Grab;
Der lebt, so lang' ein Geist die Welt
Mit geist'ger Kraft zusammenhält;
Der lebt in allem Guten, Schönen,
In Worten, Farben und in Tönen;
Der lebt im Leben immerdar
Und bleibt in tiefen Nächten klar.
So ist sie mir nicht ganz entzogen,
Denn wie ich an des Himmels Bogen
Auf ganz entfernte Sterne schau',
Schau' ich auf die geliebte Frau;
Sie bleibt mir ewig schön und jung,
Sie lebt in der Erinnerung.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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