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Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Zu Göthe's achtzigster Geburts-Feier

(Weimar, 1829.)

Melodie des Mantelliedes.


Es tritt ein Jüngling hoch und hehr
Aus stillem Vaterhaus';
Mit der Eltern wirkendem Segen
Geht er rüstig dem Leben entgegen,
In die lärmende Welt hinaus.

Er geht einher mit festem Schritt,
Das Feuerauge rollt;
Treibt der Geist, sein Geschick zu erfüllen,
Hat er stets für das Große nur Willen,
Hat geleistet, was er gewollt.

Doch draußen sieht er, bang erstaunt,
Wie sich Masse gen Masse drängt;
Wie die Wolken sich drohend gethürmet,
Wie die Zeit in die Wetter gestürmet,
Wie der Sturm ihn rauschend umfängt.

"Da brauch' ich einen sichern Schutz,
Ein tücht'ges Erdenkleid!"
Holde Mädchen liebäugeln und locken,
Sind mit Küssen, Bändern und Locken
Es ihm zu flechten bereit.

Er lächelt wohl bei ihrer Zier,
Drückt manche schöne Hand:
Doch genügt ihm nicht tändelnde Gabe -
Nein, er winkt mit dem schaffenden Stabe,
Dem Aether zugewandt.

Und aus dem Aether immer klar
Steigt die Neunzahl der Musen hervor,
Und sie eilen im luftigen Schweben
Dem Jüngling den Mantel zu weben,
Den er edlen Sinns sich erkor.

Der Mantel ist nur ihm gerecht;
Bald umwallt er ihn wogend, weit,
Hanget faltigen Saumes darnieder -
Bald umschlingt er ganz enge die Glieder;
Ist bald kurz wie ein Reisekleid.

Und ist geschmückt mit reicher Pracht,
Mit gold'nesten Sternen durchwebt,
Ist durchwirkt mit Blumen und Früchten,
Geziert mit Sagen und Geschichten,
Mit Allem, was freudig gelebt.

Des Baumes Laub, des Berges Grün,
Des Stromes dunkles Blau,
Des Vogels befiederte Schnelle,
Der Schmetterling und die Libelle,
Und der Mitternacht banges Grau,

Das Alles glänzet hin und her
Und scheinet - singet und spricht,
Und erweckt Dir der Seele Gedanken
Und umschlingt Dich mit blühenden Ranken,
Als unendliches, tiefes Gedicht.

Wer fest auf diesen Mantel schaut,
Erblickt sich selber d'rin;
Was er fühlte im eigenen Herzen,
Was er lebte, in Freuden und Schmerzen
Seinen Kindes- und Greisen-Sinn.

Des Helden Kraft, des Mädchens Huld,
Des Genusses schwellendes Meer,
Ja, der Mantel strahlt Alles wieder
Und die Strahlen ertönen wie Lieder -
Solche Lieder klinget nur er.

Und niemals wird der Mantel alt,
Nur frischer jedes Jahr;
Gleich als ob die unendlichen Mächte
Stets erneuten sein Zaubergeflechte,
Stellt er immer schöner sich dar.

Nun trag' ihn, Herr, gar lange noch,
Ist Dein Haar gleich heute schon weiß.
Nimm ihn mit in die Zukunft der Träume,
In die ewig blühenden Räume,
Du ewig blühender Greis!


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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