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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Zu Göthe's Geburtsfest
(Berlin, 1831, in der
literarischen Gesellschaft.)
Mel. Bertrands Abschied.
Wen feiern heut' die festlich frohen Lieder?
Wem gilt des Tages hoher Ehrenpreis?
Begrüßet Ihr, bei'm Klang der Gläser wieder
Zum Jahresfest, den deutschen Dichtergreis?
Ihr jauchzt ihm zu, Ihr oft durch ihn Entzückten,
Erglühend All' in seinem Sonnenschein,
:,: Nennt ihn den Hochberühmten, den Beglückten? -
Er steht in seinem Ruhm und Glück allein! :,:
"Zerstoben ist das freundliche Gedränge,
Verklungen, ach, der erste Wiederklang,
Sein Leid ertönt der unbekannten Menge,
Ihr Beifall selbst macht seinem Herzen bang."
Nun, so verstummt und feiert ihn durch Thränen,
Mischt sie als Opfer in den Freudenwein,
:,: Ach, ehrt des Greises tief verschloss'nes Sehnen:
Er steht mit seinem Glück und Ruhm allein! :,:
Schon hat der gift'ge Neid das Haupt erhoben,
Verleumdung zischt aus modervollem Grund,
Wo nächt'ge Lüge ihr Gespinnst gewoben,
Im Dunkel fletscht und geifert mancher Mund.
Zwar unbekümmert fliegt auf Feuerrossen,
Ein Erdengott, er siegreich himmelein! -
:,: Doch ihm zur Seite sanken die Genossen,
Er steht mit seinem Glück und Ruhm allein! :,:
Amalia - und Karl August - Luise -
Des Fürstenhauses heil'ge Dreizahl schied;
So Herder, Wieland gingen heim; wie diese
Lebt Schiller auch dem Freund' nur noch im Lied.
Sein lieber Zögling, unser Wolff, erstrebte
Schon sterbend noch ein Grab in dem Verein.
:,: Da modern sie, wo er mit ihnen lebte,
Er steht mit seinem Glück und Ruhm allein! :,:
Italia, Du falsche, undankbare!
Dir wand er seiner Lieder vollsten Kranz,
Dir weiht' er seiner Blüte reichste Jahre,
Und Du verschlangst des Vaters Hoffnung ganz.
Gesammelt sind nun Schätze sonder Gleichen,
Natur und Kunst gebar sie im Verein;
:,: Der sie gepflegt, sein Sohn ruht unter Leichen -
Er steht mit seinem Glück und Ruhm allein! :,:
Er hat gelebt im allertiefsten Sinne;
Doch künft'gen Zeiten ist es erst Beruf,
Zu zählen die unendlichen Gewinne,
Die er der Wahrheit und der Schönheit schuf.
Wir können nur bei seinen Hochgedichten
Der Bien' auf Blumenbeeten ähnlich sein,
:,: Wir können ihn nicht wägen und nicht richten:
Er steht mit seinem Glück und Ruhm allein! :,:
(1832.)
Gedenkt Ihr noch, wie damals hier verklungen
Mein schlichtes Lied im heutigen Verein?
Wie wir im Chor aus einer Brust gesungen:
"Er steht mit seinem Glück und Ruhm allein?"
Ob klingend auch die Gläser angeschlagen,
Ob schäumend auch geperlt der frische Wein,
:,: Die Festesklänge wurden schier zu Klagen,
Es stand der Greis in Glück und Ruhm allein. :,:
Wie anders heut! Die Hülle ist gesunken,
Die irdisch noch und menschlich ihn umgab,
Von der Verwesung heil'gen Düsten trunken,
Schwang er sich siegreich über Zeit und Grab.
Ein ew'ger Jüngling will er scheidend werden,
Will seiner Psyche neue Flügel leih'n;
:,: Sie hub ihn auf von dieser armen Erden,
In Glück und Ruhm steht er nicht mehr allein :,:
Es grüßen ihn, die All' vorangegangen,
Die wir betrauernd einst im Lied' genannt.
Sie mögen ihn, der lang' gesäumt, empfangen;
Auch uns're Todten sind ihm zugewandt.
Und wenn wir Abends in der blauen Ferne
Ein Lichtgebild erblicken, glänzend rein,
:,: Umgeben von dem Kreis' der schönsten Sterne,
Dann rufen wir: Er steht nicht mehr allein! :,:
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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