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Gesammelte Gedichte
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Gottfried Keller
Gesammelte Gedichte . 3. Auflage 1888



Die Landessammlung zur Tilgung der Sonderbundskriegsschuld 1852

Wohl dehnen endlos Steppen sich,
    drauf dünnes Volk gesäet,
In dessen Hirn ein leichter Geist
    wie Sand vor'm Winde wehet;
Doch unser Land ist eng und hoch
    zum Himmel aufgetürmt,
Darinnen hat ein groß Geschick
    schon manches Mal gestürmt.

Und dieses Schicksals nennen wir
    mit Fug uns selbst die Schmiede;
Wir feilen sechs Jahrhundert schon
    am selben alten Liede,
Bald sacht und leis, bald laut und rauh,
    wie es der Zeiten Lauf;
Und mehr als einmal sprüht' es heiß
    von Feil' und Hammer auf!

Das Sprühen ist der Bürgerkrieg,
    der Völker Fluch geheißen;
Doch festet es ein gut' Metall,
    wo schwache Ketten reißen.
Gerade weil wir Schmiede sind,
    so schmieden wir in der Glut,
Die Pflugschar in der eig'nen Ess',
    das Glück auf's Neue gut!

Die rechte Faust im Bürgerkrieg
    verkrallt und festgebunden,
Hat doch die link' den fremden Feind
    dort kämpfend überwunden,
Wo bei Sankt Jakob an der Birs
    ein Mann auf zehen kam,
Die sterbend zur Gesellschaft er
    mit sich zum Hades nahm.

Nicht solcher Taten rühmen wir
    uns, die wir heute leben;
Jedoch, ist leichter uns're Hand,
    ist geistiger auch das Streben.
Und zankten wir, und brauchten wir
    die Ratio ultima,
So sind nun Alle überzeugt
    und Alle sind noch da!

Wir stritten nicht um Geld und Gut
    und nicht um Land und Leute;
Die Leute waren wir Alle selbst,
    ein neuer Bund die Beute,
Ein neues Recht, ein neues Haus,
    doch auf dem alten Plan,
Und, außer dem guten Neuenburg,
    kein neuer Stein daran!

Der Raum ist eng, die Seelen fest:
    hie alte - hie neue Zeiten!
Erscholl's und blutig maßen sich
    die Mehr- und Minderheiten.
Doch nun der Streit gestritten ist,
    so sind wir wie Ein Mann,
Ein Mann, der sich bezwungen hat,
    und Niemand geht's was an!

Wir teilten in die Arbeit uns
    als werkerfahr'ne Geister;
Doch Keiner hat nun Knechteslohn
    und Alle sind wir Meister!
Was soll nun noch das Schuldenbuch,
    der schnöde Kostenpunkt?
Ein Wicht, der sich bezahlen läßt
    das Glück, womit er prunkt!

Wie der Prozeß im Volk begann,
    als es zum Krieg gepfiffen,
So sei nun diese Sühne auch
    zuerst vom Volk ergriffen!
Du Schreiber in der Halle dort
    zerreiße flugs den Wisch,
Denn sieh', schon drängt sich Kind und Greis
    um deinen Rechentisch!


  Gottfried Keller . 1819 - 1890






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