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Gottfried Keller
Gesammelte
Gedichte . 3. Auflage 1888
Wien
1848.
Stadt der Freude, Stadt der Töne,
Morgenfrohes, stolzes Wien,
Dessen frühlingsheitre Söhne
Nun der Freiheit Rosen ziehn:
Ja, wir haben uns versündigt,
Als wir grollten deiner Lust,
Deinem Jauchzen, das verkündigt
Eine starke, tiefe Brust!
Auf den zauberischen Wogen,
Deutscher Tänze schwebtest du;
Wetter kamen schwül gezogen,
Schelmisch logst du üppige Ruh.
Eisgrau saßen tote Wächter
Vor dem klangerfüllten Haus -
Sieh', da sandt'st du edle Fechter
Singend in das Frührot aus!
Mit den Flöten, mit den Geigen,
Mit Posaunen hell voran
Führe vorwärts deinen Reigen
Auf der morgenroten Bahn!
Ein Mal noch durch deutsche Lande
Führ' ein deutsches Kaiserbild,
Reich zu schau'n im Goldgewande,
Und wir grüßen fromm und mild!
Dieser Traum wird auch verwehen
Und am alten Sternenzelt
Endlich unter die Sterne gehen
Zu der toten Götterwelt;
Und wo flimmernd Schwan und Leier
Und das Bild des Kreuzes sprüh'n,
Wird dereinst im stillen Feuer
Karoli magni Krone glüh'n!
Aber dann in tausend Wiegen,
Hier in Gold und dort in Holz,
Wird der junge Kaiser liegen,
Freier Mütter Ruhm und Stolz,
Wird als Hirt auf Blumenauen,
Im Gebirg' als Jäger geh'n,
Auf des Meerschiffs schwanken Tauen
Als ein braver Seemann steh'n!
Gottfried
Keller . 1819 - 1890
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