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Gottfried Keller
Gesammelte
Gedichte . 3. Auflage 1888
Der Narr des Grafen von Zimmern
Was rollt so zierlich, klingt so lieb
Trepp' auf und ab im Schloß?
Das ist des Grafen Zeitvertrieb
Und stündlicher Genoß:
Sein Narr, annoch ein halbes Kind
Und rosiges Gesellchen,
So leicht und luftig wie der Wind,
Und trägt den Kopf voll Schellchen.
Noch ohne Arg, wie ohne Bart,
An Possen reich genug,
Ist doch der Fant von guter Art
Und in der Torheit klug;
Und was vergecken und verdreh'n
Die zappeligen Hände,
Gerät ihm oft wie aus Verseh'n
Zuletzt zum guten Ende.
Der Graf mit seinem Hofgesind
Weilt in der Burgkapell',
Da ist, wie schon das Amt beginnt,
Kein Ministrant zur Stell';
Rasch nimmt der Pfaff' den Narrn'n bei'm Ohr
Und zieht ihn zum Altare;
Der Knabe sieht sich fleißig vor,
Daß er nach Bräuchen fahre.
Und gut, als wär' er's längst gewohnt,
Bedient er den Caplan;
Doch wann's die Müh am besten lohnt,
Bricht oft der Unstern an;
Denn als die heil'ge Hostia
Vom Priester wird erhoben,
O Schreck! so ist kein Glöcklein da,
Den süßen Gott zu loben!
Ein Weilchen bleibt es totenstill,
Erbleichend lauscht der Graf,
Der gleich ein Unheil ahnen will,
Das ihn vom Himmel traf.
Doch schon hat sich der Narr bedacht,
Den Handel zu versöhnen;
Die Kappe schüttelt er mit Macht,
Daß alle Glöcklein tönen!
Da strahlt von dem Ciborium
Ein gold'nes Leuchten aus;
Es glänzt und duftet um und um
Im kleinen Gotteshaus,
Wie wenn des Himmels Majestät
In frischen Veilchen läge:
Der Herr, der durch die Wandlung geht, -
Er lächelt auf dem Wege!
Gottfried
Keller . 1819 - 1890
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