162 Bücher
|
Gottfried Keller
Gesammelte
Gedichte . 3. Auflage 1888
Mönchspredigt
Es schlägt der Mönch auf's Kanzelbrett
Und macht gar schlimme Witze;
Sein Hals ist kurz, der Atem fett,
Sein Wort voll roter Hitze.
Er endet just mit glüh'ndem Hauch
Die Hölle heiß zu schildern;
"Gott selber, schreit er, wollt' er auch,
Kann jene Qual nicht mildern!
"Gott schloß der Hölle schwarz Portal
Und hat den Schlüssel verloren!
So lange Gott lebt, lebt die Qual,
Das ist euch zugeschworen!"
Er rief's; der böse Schwaden steigt
Aus seinen Eingeweiden;
Still rührt der Schlag - der Läst'rer schweigt
Und endet ohne Leiden.
Ihr Christenleute, zittert nicht
Ob seinen wilden Scherzen!
Die Qual ist aus, die Hölle bricht,
Sie brach mit seinem Herzen!
Uns ist auf seiner fahlen Stirn
Ein guter Trost erworben:
Der böse Gott in seinem Hirn
Ist still mit ihm verdorben!
Gottfried
Keller . 1819 - 1890
|
|