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Gottfried Keller
Gesammelte
Gedichte . 3. Auflage 1888
Stutzenbart
Herrlich in der Maienzeit
Blaut des Himmels Kläre,
Halt' zum Opferdienst bereit
Nun die blanke Scheere!
Durch das off'ne Fenster zieh'n
Schon des Bartes Flocken
Schimmernd weiß; ach: hin ist hin!
Singt die Norn' am Rocken.
Welch ein winterlich Gespinnst
Hat sie dir gesponnen!
Und da fliegt der Reingewinnst
Deiner Lebenswonnen!
Aber sieh! wie feierlich
In die Höh' sie schweben,
All die Flöcklein! Will zu sich
Sie der Aether heben?
Und am Ende sollst du gar
Noch ein Heil'ger werden,
Dessen Bart- und Lockenhaar
Man verehrt auf Erden?
Jetzt mit Blüten untermischt
Tanzen sie im Winde;
Doch was zwitschert, pfeift und zischt
Dort für ein Gesinde?
Fink und Schwalbe, Staar und Spatz -
Wie das flirrt und flattert! -
Haben bald den Silberschatz
Deines Haupts ergattert!
Fliegen mit dem teuren Gut
Heim nach allen Seiten,
Für die weich beflaumte Brut
Schnöd das Nest zu breiten.
Und was würdig hat umwallt
Deine weisen Lippen,
Dient dem Haus- und Ehehalt
Leichter Vogelsippen!
Lächle denn durch Blüt' und Blatt,
Schönster Frühlingsmorgen!
Darf ja, wer den Schaden hat,
Für den Spott nicht sorgen!
Gottfried
Keller . 1819 - 1890
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