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Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



Der Renegat

1837.

Horch die Cithern, horch die Cymbeln, wie sie locken, wie sie klingen!
Und die Weiber schau, die süßen, wie sie wild im Tanz sich schwingen!
So am kühlen Meeresstrande, unter purpurnem Gezelt,
Saß der Renegat, der alte, hochgepriesen, Fürst und Held.

Denn von Allen, welche meerwärts aus dem Land der Christen kamen,
Und den Koran statt der Bibel, für das Kreuz den Turban nahmen,
Lachte Keinem, Segen spendend, je des Glückes Sonne mehr,
Wurde Keiner je so mächtig, je so reich und groß wie er.

Und die Sklavin, lüstern lächelnd, klirrte mit dem goldnen Becher:
"Der Prophet zwar hat's verboten, Mahomet, der arge Zecher;
Doch die Sklavin, deine Liebste, Sulima gebeut es dir."
- "Laß das Klirren, laß das Klingen; denn wie Glocken klingt es mir." -

"Herr! was ist dir? Laß mich's wissen! Will das Spiel dir nicht behagen?
Sehnst dich, draußen in der Wüste Leu und Tiegerthier zu jagen?
Oder willst den Säbel prüfen an des Christen feilem Haupt?"
- "Nenn', o nenne nicht den Namen Eines, der an Christus glaubt!" -

Sprach's und schwieg und schloß die Augen: denn als würd' er fortgetragen
Auf des Sturmwinds Adlerschwingen, eine Kirche sieht er ragen:
Hoch vom Thurm, ein Stern des Friedens, lacht des Kreuzes goldner Schein,
Und die Orgel hört er brausen und Gebet und Litanein;

Sieht sich selbst, wie er gewesen, in der Jugend goldnen Tagen,
Eh' ihn Meer und Schicksalsstürme in das Mohrenland verschlagen,
Einen blondgelockten Knaben, Weihrauchbecken in der Hand,
Wie er dienend und geschäftig dem Altar zur Seite stand;

Sieht die Schwestern, die geliebten, mit den langgeflochtnen Zöpfen,
Lauschend gegenüber knieen mit geneigten Engelsköpfen;
Sieht der Mutter holdes Auge, gleich wie Mutteraugen thun,
Hoffnungsvoll und doch voll Sorge sanft auf seiner Stirne ruhn;

Sieht im Meßgewand den Priester, der die Hand erhebt zum Segen
Und sein Herz im tiefsten Busen, stürmisch pocht's mit tausend Schlägen -!
Aber ach! mit Heroldstimme tönt es donnernd ihm ins Ohr:
"Sei verflucht in alle Zeiten, wer von Christus sich verlor."

- Hört's und schlug empor die Augen: "Herr, die Flotte kommt gefahren,
Deine Diener sind's, die treuen, lustig muthigen Korsaren,
Die mit Beute wiederkehren aus dem fernen Christenland,
Und von Sklaven und Gefangnen, sieh, wie wimmelt schon der Strand!"

Durch die Reihen schritt der Alte: 's war ein Anblick zum Erbarmen!
Furchtentstellt, mit bleichem Antlitz, standen dichtgedrängt die Armen,
Knab' und Mägdlein, zarte Kleine, Greise selbst im Silberhaar;
Ach! denn Keinen, den er findet, schont der grimmige Korsar.

Nur ein Knäblein, zart von Jahren, schien getrost und ohne Zagen:
In dem Sand sah man ihn knieen, himmelwärts den Blick geschlagen;
Oft geküßt von seinen Lippen, an den Busen dicht gepreßt,
Hielt ein Kreuzchen, ein geschnitztes, er mit beiden Händen fest.

Um sein rosig Kinderantlitz floß das Haar in goldnen Wogen,
Ruhig, wie zum Todesstreiche, hielt den Nacken er gebogen,
Sah mit fröhlich stolzen Augen dreist dem Fürsten in's Gesicht,
Und die Wangen blieben rosig und sein Auge zuckte nicht. -

Und der Renegat mit Schweigen sah das Kreuz und sah den Knaben;
Eine Thräne schien verborgen in den Wimpern er zu haben,
Ging zurück dann zum Palaste, Keiner wußte, was ihm sei: -
Aber noch am selben Tage ließ er alle Christen frei.


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






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