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Robert Eduard Prutz
Gedichte
. 3. Auflage 1847
Der Zecher
1834.
Es war 'mal auf Erden ein muntrer Patron,
Eine ganz kreuzlustige Fliege;
Ihn freute nicht Kirche, ihn freute nicht Thron,
Ihn grämten nicht Kriege noch Siege:
Tief unten saß er in Kellers Grund
Und zechte und zechte mit durstigem Mund
- Ei prosit, du lustiger Zecher!
Und als es nun endlich zum Sterben kam -
Ein abscheuliches Ding mit dem Sterben!
Da trank er noch Eins mit unendlichem Gram,
Schlug sterbend den Becher in Scherben.
Der Kellner, der weinte die Aeuglein sich naß,
Und legte ihn sanft in ein Rheinweinfaß
- Gute Nacht, du mein lustiger Zecher!
Drauf als der Welt Ende gekommen war,
Gott Vater saß zu Gerichte,
Da wandelte flugs der Seligen Schaar
In den Himmel mit glattem Gesichte.
Doch die, so gelebet in Saus und Braus,
Die wurden dem Teufel ein leckerer Schmaus
- Wie wird es ergehen dem Zecher?
Sprach da Gott Vater zu Petrus gewandt:
"Wer steht mir denn dort in der Ecken?
Potz Blitz noch, ich glaube, der thörichte Fant
Will gar vor dem Herrn sich verstecken?
Auch leuchtet sein Antlitz so flammenroth,
Als litt er im Voraus die höllische Noth"
- O weh, armseliger Zecher!
Herr Petrus, der bracht' ihn geschwind vor den Thron,
Sprach also mit zürnenden Blicken:
"Das ist der leibhaftig verlorene Sohn,
Den magst du zur Hölle nur schicken!
Der hat sich auf Erden nichts Beßres gewußt,
Als Bechergeklirr, als Becherlust"
- Wie nun, du verlorener Zecher?
Antwortet der Zecher mit heiterem Mund,
Mit sittsamem Neigen und Bücken:
"Du wollest, o Herr, nicht ohne Grund
Mich gleich in den Schwefelpfuhl schicken!
Zwar kann ich nicht leugnen, ich sage nicht nein,
Wohl liebt' ich vor Allem, ich liebte den Wein,
- Wohl war ich ein lustiger Zecher!
Doch hab' ich, o Herr, nicht sündlich gezecht,
Wie die Leute, die thörichten, pflegen:
Stets that ich dem Weine sein treffliches Recht
Und erkannte den himmlischen Segen.
Drum, schaut' ich die Perlen im funkelnden Wein,
Da dacht' ich gleich an die Sternelein
- Ich war ein nachdenklicher Zecher!
Und wenn ich nur erst bei den Sternen war,
Dann schnell noch ein Gläschen getrunken!
Da wurde der ganze Himmel mir klar,
Da war mir die Erde versunken,
Da hört' ich das Jauchzen der Engel schon,
Da sah ich dich selber auf deinem Thron
- Ich war ein sehr gläubiger Zecher!
Fernab von der Welt, in den Keller versenkt,
So hab' ich, o Herr, es getrieben,
Hab' nie eine menschliche Seele gekränkt,
Kein Glas bin ich schuldig geblieben.
Mein Leben und Weben, es glich ja dem Wein,
So luftig wie er und so hell und so rein
- O, nun sei gnädig dem Zecher!"
Und siehe, der Herr stand auf vom Thron:
"Geh' ein zum ewigen Leben!
Wohl warst du auf Erden ein lust'ger Patron,
Zur Lust euch schuf ich die Reben.
Geh, Petrus, voran und füll' ihm das Glas
Aus meinem eigenen Mutterfaß"
- Ei prosit, du seliger Zecher!
Robert
Eduard Prutz . 1816 - 1872
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