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Robert Eduard Prutz
Gedichte
. 3. Auflage 1847
Herr Frühling
1838.
Herr Frühling zog ins Land hinein,
Der fürstliche Geselle,
Mit goldnen Locken kraus und fein,
Mit Augen sternenhelle.
Sein Rößlein war ein Schmetterling,
Darauf er saß mit Lächeln,
Und vor ihm her als Page ging
Ein lustig Maienfächeln.
Und als er kam in einen Wald,
Da war es öd' und traurig;
Als wär' es ihnen gar zu kalt,
Standen die Bäume schaurig.
Er aber sah den Wald sich an
Und sprach: "Hier will ich hausen!"
Sah Thal hinab und Berg hinan
Und sprach: "Hier will ich schmausen!"
Mailüftchen flog gen Himmel schnell,
Da riß der Wolkenschleier,
Die goldne Sonne lachte hell
Zur süßen Frühlingsfeier.
Mailüftchen flog hinab ins Thal,
Die Quellen ließ er springen,
Das gab im ersten Sonnenstrahl
Ein Rauschen und ein Klingen.
Und in den welken Bäumen drauf,
Wie regt es sich behende!
Sie sprossen, keimen, blühen auf
Als grüne Laubenwände.
Dazwischen ward von grünem Moos,
Drin duft'ge Beeren lagen,
Gestickt mit Blumen klein und groß,
Das Tischtuch aufgeschlagen.
Und in den Bäumen bauten bald
Die Vöglein ihre Nester,
Das war, versteckt im Blüthenwald,
Ein lustiges Orchester.
Doch wenn mit lautem Sang und Klang
Die Vöglein sich ermattet,
Da wird ein Lied, nur nicht zu lang,
Den Fröschen auch verstattet.
Als nun der Mai mit muntrem Sinn
Die Tafel sah bereitet,
Da schickt er schnell zum Küster hin,
Daß er die Tischglock' läutet:
Der Kuckuck rief, und nah und fern
Nachhallt es in den Gründen,
Allüberall den edlen Herrn,
Den Frühling anzukünden.
So sitzt er nun beim frohen Schmaus,
Der fürstliche Geselle,
Mit goldnen Locken fein und kraus,
Mit Augen sternenhelle.
Und wie ein König mild gesinnt,
Lädt er uns all' zum Feste:
Doch Dichter und Verliebte sind
Die rechten Ehrengäste.
Robert
Eduard Prutz . 1816 - 1872
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