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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



In die Heimath

1835.

1.

Nicht, wie du heißest, darf der Welt ich sagen:
    So soll Maria denn dein Name sein!
    Marien sing' ich meine Tändelein
Und meine Lust, Marien meine Klagen.

Denn wie die Jungfrau, die den Herrn getragen,
    Als Königin zog in den Himmel ein,
    So bist du Kön'gin in der Seele mein,
Und sollst es bleiben in den fernsten Tagen.

Und wie der Schooß der Himmlischen geboren
    Den süßen Heiland, der die Welt befreit,
Und ihr den Frieden gab, den sie verloren:

So, himmlisch auch, hast du mich auch entsündigt,
    Den Streit beschwichtigt, der mein Herz entzweit:
Sei denn Mariens Name laut verkündigt!


2.

Will ruhn und schlummern! - Ich vermag es nicht,
    Es senkt kein Schlaf sich auf die müden Glieder;
    Vom Lager spring' ich, wandle auf und nieder,
Und harr' und sinne bis zum Morgenlicht.

Ach, mich verfolgt ein liebliches Gesicht!
    Der mir entflohn, der sel'ge Mai, kehrt wieder,
    Ich sehe sie, ich höre ihre Lieder,
Die Lippe küss' ich, die von Liebe spricht.

Will ruhn und träumen! - Ob ich das vermag?
    Nicht von vergangnen, von zukünft'gen Zeiten,
    Von neuer Sonne, die aus Nebeln bricht;

Vom Wiedersehen, von dem sel'gen Tag,
    Da sie die Meine wird für Ewigkeiten -
    Ja träumen will ich: ruhen kann ich nicht.


3.

Hab' ich geliebt? Hab' ich das Glück empfunden,
    Das wie ein Märchen durch den Sinn mir schwebt?
    Hat Herz am Herzen glühend heiß gebebt,
In süßem Kuß sich Mund dem Mund verbunden?

Kaum weiß ich's mehr! Die Wonne jener Stunden -
    Wie die Rakete sich gen Himmel hebt,
    Ein Mal nur flammt, dann sich in Nacht begräbt,
So ist auch sie begraben und verschwunden.

Und dennoch, horch! was flüstert mir im Herzen
    Von der entschwundnen, selig süßen Pein,
    Von meinem Glück, dem meinen und dem ihren?

Ach! meine Lust ahn' ich aus meinen Schmerzen!
    So ganz verarmt, so elend ganz zu sein,
    Mußt' ich unsäglich großes Glück verlieren.


4.

Wie oft, mein Lieb, bin ich mit dir gegangen
    In später Nacht! Mit dir ich ganz allein!
    In meiner Hand hielt ich die Hände dein,
Auf meine Schulter lehntest du die Wangen.

Kein Sternchen schien, Nacht hielt die Welt umfangen -
    Nicht Nacht für mich! mir schien ein Stern darein,
    Ein wundervoller: deines Auges Schein!
Tag ward die Nacht und alle Himmel klangen.

Jetzt, da ich dich, du süßes Licht, verlassen,
    Kein Tag für mich! Licht ist in Nacht verkehrt,
    Und dunkel sind die sonnenhellen Gassen.

O Liebe, sprich, kannst du das Wunder fassen,
    Das also mir die Sinne hat bethört? -
    Ich hab' ja dich, du süßes Licht, verlassen.


5.

Hast du die Alp im Abendroth gesehen?
    Die Thäler schlummern, Nacht umhüllt die Flur,
    Die Alp allein im dämmernden Azur
Scheint leuchtend noch in Sonnenglanz zu stehen.

Und sehnst du dich hinauf zu jenen Höhen,
    Zu ew'gen Tages goldner Rosenspur?
    Das ist kein Tag, ist Abendschimmer nur,
Die Sonne mußte längst zur Ruhe gehen! -

Der Alpe mag ich selber mich vergleichen:
    Noch glänzt mein Blick, noch athmet hoch die Brust,
    Noch schwebt ein Lächeln um die jungen Wangen;

Doch was du deutest als der Freude Zeichen,
    Ist nur ein Schimmer längst gewesner Lust:
    In mir ist's Nacht, die Sonn ist untergangen.


6.

Tags bin ich einsam! - Einsam, nicht allein!
    Laut lärmt der Markt, es läuft auf allen Gängen,
    Die Freunde kommen, stürmisch mich zu drängen:
"O komm hinaus! zu Liedern komm und Wein!"

Da wogt der Tanz, da schmettern Hörner drein! -
    Stumm sitz' ich, höre nichts von diesen Klängen,
    Muß meinen Gram tief in die Seele zwängen:
Tags bin ich einsam, aber ach, nicht mein! -

Doch steigt am Himmel erst die Nacht herauf
    Mit den verschwiegnen, mohnbekränzten Stunden,
    Da wird's lebendig in der öden Brust.

Da schließt der Traum die goldnen Pforten auf,
    Ich habe sie, die ich verlor, gefunden -
    Tags bin ich einsam, Nacht ist meine Lust.


7.

Schau' ich der Blumen buntgeschmückten Flor,
    Der Blumen denk' ich da mit stillem Bangen,
    Die ich aus deinen Händen einst empfangen,
Und unaufhaltsam bricht die Thräne vor.

Tönt Lerchenlied mir in's erschrockne Ohr,
    Denk' ich der Lieder, welche ehmals klangen,
    Da du und ich um Mitternacht gegangen,
Und jeder Ton sagt, daß ich dich verlor.

Doch wenn gen Himmel dann mein Auge sieht,
    Zu jenem Stern, der dich und mich gesehen,
    Dann gießt ins Herz sich Paradiesesruh'.

Die Blume welkt, es schweigt der Lerche Lied:
    Der Himmel nur, der ewige, bleibt stehen,
    Und wie der Himmel ewig bleibst mir du!


8.

Schilt mich nicht treulos, schau' ich nach den Frauen!
    Nur dein gedenkend, einzig, Liebe! dein,
    Geh' ich bedachtsam durch die bunten Reihn,
Ob ich nicht Eine, die dir gleicht, kann schauen.

Sieh, Jene dort! die Stirne sieh, die Brauen,
    Am Kinn das Grübchen - solltest du es sein?
    Doch nein! das sind nicht deine Locken, nein!
Das sind die Augen nicht, die wunderblauen.

So tödt' ich spielend mir die langen Stunden:
    Schilt mich nicht treulos! Immer ahn' ich dich
    Und immer wieder seh' ich dich entschwinden.

Ja fänd' ich Alles, Alles auch verbunden,
    Was dich allein ziert: holde Liebe! sprich,
    Das Eine doch, dein Herz, wo sollt' ich's finden?


9.

Wir lesen viel von jenen alten Rittern,
    Die im Gefecht mit Drachen, Riesen, Feen,
    Der Heißgeliebten Namen zu erhöhn,
Die Welt durchzogen ohne Furcht und Zittern.

Und kehrten heim, gleich fruchtbeladnen Schnittern,
    An Ehre groß, von Wunden schmuck und schön,
    Und legten ihr zu Füßen die Trophän
Von Siegsgeschmeide, Fahnen, Lanzensplittern.

Ach, daß auf ewig diese Zeit entschwunden!
    Ja, kämpfen wollt' ich, wär' es mir vergönnt,
    Daß sich vor dir die Erde sollte neigen.

So hätt' ich Raum für meine Gluth gefunden!
    Jetzt aber, ach! was mir im Innern brennt,
    In schlechten Reimen nur kann ich dir's zeigen.


10.

Nichts Schönres weiß ich, als mich zu versenken
    In jene Tage, welche nicht mehr sind,
    An jenen Frühling, unaussprechlich lind,
Da ich bei dir war, rastlos durchzudenken.

Zwar weiß ich wohl, auf Andres sollt' ich lenken
    Den jungen Muth: die Jahre fliehn geschwind,
    Ruhmlose Namen flattern hin im Wind;
Drum Thaten gilt es seiner Mitwelt schenken.

Ich acht' es nicht! Inbrünstig ganz versunken
    In jene Zeit, bin ich der Larve gleich,
    Die sich ihr Grab in Rosen hat gesponnen.

Doch hoffe nur! Bald blitzt der Lebensfunken,
    Ein Wiedersehn an Freuden überreich,
    Ein neuer Mai voll kaum geahnter Wonnen.


11.

Wahnwitzig hör' ich oft den Frommen schmähen,
    Der Jahre lang, im fernen Morgenland,
    Gen Himmel starrte nach der Sonne Rand,
Im Lichte dort den Ewigen zu sehen; -

Ward Mann und Greis, und ruhte nicht zu spähen,
    Ja, da die Gluth das Aug' ihm ausgebrannt,
    Kehrt' er geblendet, dennoch unverwandt,
Den todten Blick empor zu jenen Höhen.

So schaut' auch ich mit Wonne, nicht zu fassen,
    Auf dich allein, du Sonne mir und Licht!
    Und konnte nicht von dir die Seele kehren.

Jetzt aber, ach! da du mich hast verlassen,
    Sprich, süßes Lieb! gleicht meine Seele nicht
    Dem Auge jetzt, dem ausgebrannten, leeren?


12.

Ich weiß, du liebst mich; doch ergreift mich Zagen,
    Ob du mir treu wirst in der Ferne sein,
    Ob du mein Bild in deines Herzens Schrein
Wirst ungetrübt und unverloren tragen.

Du bist so schön; so Viele, die dir's sagen,
    So lustig lacht des Lebens Morgenschein:
    Wer bin nur ich mit meinen Träumerein,
Daß ich zu dir die Augen aufgeschlagen?

- Und frag' ich noch? Ich frage, süßes Leben?
    O, zürne nicht dem allzuschwachen Muth,
    Das eigne Herz kann mir ja Antwort geben.

Ich war so schwach und bin so treu geblieben,
    Du bist so gut, so mehr, als engelgut:
    Mit welcher Treue mußt nicht du mich lieben?!


13.
Heimkehr.

Ich habe dich, nicht hast du mich gesehen!
    Am Fenster stand ich, lauschte bang hinein,
    Da saßest du bei deiner Lampe Schein,
Still war's umher, den Pendel hört' ich gehen.

Mir schien's wie Gram auf deiner Stirn zu stehen,
    Feucht schien dein Blick - gewiß, du dachtest mein,
    Daß ich von dir muß gar so ferne sein,
Und ahntest nicht, was heimlich ist geschehen.

Schlaf, süßes Lieb! Gut' Nacht auf wenig Stunden!
    Träume von mir, und bist du halb erwacht,
    Dem Traume zürnend, der so bald verschwunden:

Dann weck' ich dich mit meinen Flammenküssen,
    Taghelle Wahrheit wird das Bild der Nacht,
    Nicht, ob du wachst, ob träumest, sollst du wissen!


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






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