Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



Liebesrache

1840.

Wer schleicht herein, den Hut ins Aug' gedrückt,
In krampf'ger Faust den nackten Dolch gezückt?
    Kein Laut verräth ihn! Langsam, auf den Zehen,
    Unhörbar schleicht er, wie Gespenster gehen;
Bleich ist sein Antlitz, nur das Auge brennt,
Wie ein Komet an dunklem Firmament.

Jetzt tritt er ein! Leis dämmernd durch den Saal
Fällt hoch von oben einer Lampe Strahl,
    Süßduft'ger Blumen breite Schatten zittern
    Durch das Gemach, und hinter goldnen Gittern
Schlaftrunken sträubt ein Vogel seinen Flaum
Und wiegt sich leis und girret, wie im Traum.

Und näher jetzt, starr, wie ein Bild von Stein,
Lauscht vorgebeugt er in den Saal hinein;
    So lauschend steht die lüsterne Hyäne,
    Und rollt das Aug' und hebt die borst'ge Mähne,
Wenn Nachts der Ostwind, der die Wüste fegt,
Den Duft von Leichen ihr entgegen trägt!

Er steht und lauscht, und heft'ger zuckt die Hand:
Sein Flammenblick, er suchte nicht - er fand,
    Er fand und traf! - Schau dort aus seidnem Pfühle,
    Die Brust geöffnet vor der nächt'gen Kühle,
Nur halb verhüllt den marmorweißen Leib,
Ruht schlummernd dort ein engelschönes Weib.

Er kennt sie wohl! - Nie hat der Schönheit Pracht
Um andre Lippen lieblicher gelacht:
    Stolz war ihr Gang, der schwarzen Augen Lodern
    Schien alle Männer zum Tribut zu fodern,
Ein goldnes Krönlein trug sie in dem Haar:
Denn o, sie wußte, daß sie Fürstin war!

Und sie war sein! - Aus der Bewundrer Chor
War er es einzig, den ihr Blick erkor;
    Vor ihm die Krone willig legt' sie nieder,
    Gab lächelnd ihm die Blüthe dieser Glieder,
Gab ihm ihr Herz, und wollte nichts mehr sein,
Als seine Braut, sein Weib, sein Glück allein!

Doch was sie selbst süßstammelnd einst versprach,
Bald klirrt es ihr, wie eine Kette, nach:
    Nicht bei der Schönheit wohnt die sanfte Treue,
    Was Liebe war, ward Ueberdruß und Reue:
Sie warf ihn fort - und Andre sollen nun
An dieser Brust, in diesen Armen ruhn.

Kein Andrer, nein! Mit heil'gem Cide dies
Hat er gelobt, da sie ihn von sich stieß;
    Ja dieses Herz, das einst die Liebe schwellte,
    In Gift verwandelt hat es ihre Kälte:
Ihr gilt der Haß, der ihm im Auge glimmt,
Und dieser Dolch, er ist für sie bestimmt! - -

Und näher jetzt und näher, dicht heran,
Schleicht ernst und still der unglücksel'ge Mann:
    Sie schläft so sanft! den Vogel hört er girren,
    Das klingt so süß, den Geist ihm zu verwirren -
Sie schläft so sanft! wie lindes Frühlingswehn
Hört er den Athem ihres Mundes gehn.

Er hebt den Dolch - o wohl, das ist das Haar,
Das einst ein Schleier seiner Küsse war!
    Das ist die Stirn, das sind die holden Brüste,
    Die einst sein Mund in sel'gem Wahnsinn küßte!
Das ist der Hals, den einst sein Bild geschmückt,
Das ist das Herz, an das sie ihn gedrückt!

Er hebt den Dolch - o Bildniß jener Nacht,
Da er zuerst sah dieses Leibes Pracht!
    Da er zuerst mit wonnevollem Lauschen
    In diesem Glanz sich schwelgend durft' berauschen!
Da ihn zuerst ihr weicher Arm umschloß,
Zuerst ihr Kuß verzehrend ihn durchfloß! -

Und rasch zu enden dieser Zweifel Qual,
Zückt er empor zu jähem Stoß den Stahl -
    Und jetzt, o jetzt - weh, wenn sie jetzt erwachte!
    Wenn dieser Blick, aus dem der Himmel lachte,
Vor ihm erstarrte, schaudernd und entsetzt!
Wenn jetzt ihr Blut das süße Lager netzt!

Er steht und sinnt - Sie schläft so sanft - er sinnt:
Und eine große, schwere Thräne rinnt
    Aus seines Auges wetterschwülen Flammen;
    Ohnmächtig bricht sein starker Arm zusammen:
Verhüllten Haupts fort schleicht er auf den Zeh'n -
Und Keiner jemals wird ihn wiedersehn. -

Wach' auf, wach' auf! - der goldne Morgen lacht,
Der Vogel singt, die Fürstin ist erwacht:
    Sie preßt die Hände weinend an die Stirne,
    Dumpf pocht ihr Blut und fiebrisch zuckt's im Hirne -
Hat sie ein Traumbild aus dem Schlaf geweckt?
Hat sie ein Schatten ahnungsvoll erschreckt?


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






Gedicht: Liebesrache

Expressionisten
Dichter abc


Prutz
Gedichte

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Liebesrache, Robert Eduard Prutz