Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Das Buch der Bilder
162 Bücher



Rainer Maria Rilke
Das Buch der Bilder . 6. Auflage 1917



Die Worte des Engels

Du bist nicht näher an Gott als wir;
wir sind ihm alle weit.
Aber wunderbar sind dir
die Hände benedeit.
So reifen sie bei keiner Frau,
so schimmernd aus dem Saum:
Ich bin der Tag, ich bin der Tau,
du aber bist der Baum.

Ich bin jetzt matt, mein Weg war weit,
vergib mir, ich vergaß,
was er, der groß in Goldgeschmeid
wie in der Sonne saß,
dir künden ließ, du Sinnende,
(verwirrt hat mich der Raum).
Sieh: Ich bin das Beginnende,
du aber bist der Baum.

Ich spannte meine Schwingen aus
und wurde seltsam weit;
jetzt überfließt dein kleines Haus
von meinem großen Kleid.
Und dennoch bist du so allein
wie nie und schaust mich kaum;
das macht: Ich bin ein Hauch im Hain,
du aber bist der Baum.

Die Engel alle bangen so,
lassen einander los:
noch nie war das Verlangen so,
so ungewiß und groß.
Vielleicht, daß etwas bald geschieht,
das du im Traum begreifst.
Gegrüßt sei, meine Seele sieht:
Du bist bereit und reifst.
Du bist ein großes, hohes Tor,
und aufgehn wirst du bald.
Du, meines Liedes liebstes Ohr,
jetzt fühle ich: Mein Wort verlor
sich in dir wie im Wald.

So kam ich und vollendete
dir tausendeinen Traum.
Gott sah mich an: er blendete ...

Du aber bist der Baum.


  Rainer Maria Rilke . 1875 - 1926






Gedicht: Die Worte des Engels

Expressionisten
Dichter abc


Rilke
Das Stunden-Buch
Die frühen Gedichte
Requiem
Erste Gedichte
Der neuen Gedichte a.T.
Das Buch der Bilder
Neue Gedichte
Die Sonette an Orpheus
Duineser Elegien

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Die Worte des Engels, Rainer Maria Rilke