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Gedichte, Lyrik, Poesie

Erste Gedichte
162 Bücher



Rainer Maria Rilke
Erste Gedichte . 1. Auflage 1913



Vigilien

I

Die falben Felder schlafen schon,
mein Herz nur wacht allein;
der Abend refft im Hafen schon
sein rotes Segel ein.

Traumselige Vigilie!
Jetzt wallt die Nacht durchs Land;
der Mond, die weiße Lilie,
blüht auf in ihrer Hand.


II

Am offnen Stubenfenster lehn ich
und träume in die Nacht hinauf;
das Mondlicht windet silbersträhnig
sich um den schwarzen Kirchturmknauf.

Sehn wenig Welten aus den Fernen
auch durch den engen Hof ins Haus, -
es füllte Licht von zehen Sternen
ein ganzes, dunkles Leben aus.


III

Horch, der Schritt der Nacht erstirbt
in der weiten Stille;
meine Schreibtischlampe zirpt
leis wie eine Grille.

Goldig auf dem Bücherstand
glühn der Bände Rücken:
zu der Fahrt ins Feenland
Pfeiler für die Brücken.


IV

Sie hat, halb Kind, einst eine Nacht
beim toten Mütterlein verbracht
und hat geweint und hat gewacht; -
dann gingen Jahre, Jahre sacht:
nie hat sie jener Nacht gedacht.

Und dann kam eine andre Nacht.
Da hat von Glut und Sünd entfacht
die rote Lippe Lust gelacht,
doch plötzlich - wie durch höhre Macht
dacht sie der Nacht der Leichenwacht.


  Rainer Maria Rilke . 1875 - 1926






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