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Leo Sternberg
Leyer,
Wanderstab und Sterne . 1. Auflage 1900
Der Papagei
Dämmer festigt fingernd sein Gewebe
An des Papageien Käfigstäbe;
Uebers Aug' der Vogel zieht die Haut,
Still sein krächzend-ungelehr'ger Laut,
Frieden auf des Ringes Schwebe.
"Liebster, noch ist Zeit das Licht zu zünden,
"Blind nur läßt das Höchste sich empfinden,
"Heimlich geht der Seligkeit Gestirn".
Rauschversprühte Glutenworte irr'n
In der Dämm'rung Labyrinthen. -
An dem Vorhang nestelt schon der Morgen,
Knisternd knippt der Vogel an den Borken,
Taumelirr durchhuschen das Gemach
Schatten der genossnen Lust sich nach,
Zeugen, was der Ort geborgen. -
Einsam muß ich wieder mich begeben
In den Raum, wo meine Träume schweben;
Mondlicht hütend auf den Kissen glomm,
Mir entgegen scholl es zum Willkomm:
"Mein Geliebter, Du mein Leben".
Märchenseltnes nächtlich Wunderwalten!
Bann der Liebesnacht, der den gelallten,
Der ungelösten Zunge Stammelschrei
In Sprache wandelte dem Papagei,
Des Glücks Gedächtnis festzuhalten.
Seinem Zauber wieder hingegeben,
Hör' ich's räuspern, raunen; spür ich's beben
Durch die Räume, wenn der Vogel schwätzt.
Und ich murm'le nach, das Aug' genetzt:
"Mein Geliebter, Du mein Leben!"
Leo
Sternberg . 1876 - 1937
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