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Leo Sternberg
Leyer,
Wanderstab und Sterne . 1. Auflage 1900
Der Ursprung
Woher das Lied mir kam, ich weiß es nicht;
Man hörte nie ein Lied bei uns zu Haus,
Auch sah ich nichts, was preisenswert im Liede,
Und was mir blühte, läßt sich weinen eh'r,
Als singen: Stumm, mit zugekniffnem Mund
Und fern dem Andern, nur sich selbst gehörend,
Saß jedes da, daß mir die Seele fror,
Und tagelang ich oft im Walde schweifte.
Vielleicht, daß dort die Schule des Gesanges,
Der Wind mein Lehrer, Vogel, Busch und Bach.
Mit liebevollrem Mund als Menschenlippen
Spricht die Natur. - Es war mir oft, als hätte
Ich ihre Stimme schon gehöret, lang
Vor Menschenlaut. - Sie sprach und hörte zu,
Und ein bedrücktes Herz wird leicht gesprächig,
Aus unsrer Zwiesprach quillte so mein Lied.
Vom Leid geboren, sang es doch nicht Leiden
- Nicht darf man sing'n, was man vergessen will -
Ich lös' den Schmerz mir auf in Lerchentriller,
Und wenn des Sangs Kadenz am Himmel endet,
Ein Weh kam vor ihm, nah an Grab und Tod.
Ich will nicht rechten über Glück und Unglück;
Mein Erbteil war das Leid, doch stieg aus ihm
Des Liedes Phönix; seinethalb nicht will
Ich schmähn mein schuldig Heim - o könnt ich's hindern,
Daß, was ich ihm verdanke, seine Schmach!
Leo
Sternberg . 1876 - 1937
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