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Leo Sternberg
Leyer,
Wanderstab und Sterne . 1. Auflage 1900
Die besten Dichter
I.
Ein Dichter glaubte sich Wer von Beruf,
Der nachts im Traume Fabeln schuf,
Halb im Schlafen, halb im Wachen
Gelangen ihm die schönsten Sachen.
Das Niederschreiben konnt' er verschieben,
Es stand ihm vor der Seel' geschrieben -
Er schlief sich aus. - Doch dann, die erste That,
Er setzte sich zur Niederschrift parat
Und sann.... Er sann - umsonst. Kein blasser Dunst
Blieb haften von dem Werk der Kunst.
II.
Ein Andrer von demselben Schlag,
Dem jedoch mehr an Wahrheit lag,
Legte neben sich vor Nachtbeginn
Licht, Block und Stift zum Greifen hin.
Er schlummert kaum, da kommt das Zeichen,
Der Traum entrücket ihn zu Dichterreichen.
Mit ungeheurer Energie
Rafft er sich aus des Schlafes Lethargie
Und schreibt und sinkt in Schlafes Arme wieder.
Früh erwacht er, reckt und streckt die Glieder,
Und klaren Sinnes und ernüchtert
Liest er, was er im Traume gedichtert.
Begreif's ein Klüg'rer, was da stand:
Ein Mischmasch ohne Sinn und Verstand,
Die Welt auf den Kopf gestellt, Poesie
Noch Prosa, Natur noch Phantasie.
Traum ist nicht Kunst, Kunst ist nicht Traumerfahrung,
Traum ist Täuschung, Kunst ist Offenbarung.
Leo
Sternberg . 1876 - 1937
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