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Gedichte, Lyrik, Poesie

Leyer, Wanderstab und Sterne
162 Bücher



Leo Sternberg
Leyer, Wanderstab und Sterne . 1. Auflage 1900



Im Negligé

Schlägt ein Gedichtchen gerad' die Augen auf,
So ist es - eins, zwei, drei - auch aus dem Bettchen,
Schon über alle Berg' mit sein' Gedanken.
Es kann nicht stille liegen; ja es nimmt
Nicht einmal Zeit sich, Toilette zu machen.
Es wäscht sich, wie die Katzen - mit zwei Fingern, -
Des Schlafes Ketten häng'n ihm noch im Haar,
Mit bloßen Füßen schlüpft es rasch ins Röckchen
Und mit des jungen Windspiels Sprüngen tummelt
Hinaus ins Freie der verspielte Wildfang.
Wahrhaftig! eh' es in den Spiegel guckte,
Sich wie 'ne Zierpupp' schnürte, modisch putzte,
Eh' lief als echt Naturkind - nackt es 'raus.
Zwar ist auch so nicht übermäßig gerad'
Mit Kleiderlast es überladen - halb
Und halb verteilt sich Wirklichkeit und Zuthat, -
Doch es muß luftig gehn, die Arme frei,
Daß an den Hals es jedem fliegen kann,
Und seine Wärme fühlet, wen es herzet.
Auch legt es sein' Verstand auf Wicht'geres,
Als sich patent zu mustern, kann es doch die Zeit
Abwarten kaum, wo's zu dem Spiel der Welt darf
Und in Gesellschaft, wo es gern gesehn,
Wo es willkommen ist, so wie es ist,
Geliebt um seine wohlgefäll'ge Art,
Und wo man seiner Jugend gern zu Gut hält,
Was seine äußere Erscheinung noch
Zu wünschen übrig läßt an Wohlgepflegtheit
Der Glieder und des Kleids. Denn Weise wissen:
Ein Kind kennt blos sein Wohl- und Mißbehagen
Und keine Rücksicht auf das Aug' der Welt,
Die kommt erst mit der leidigen Gefallsucht,
Und Kinder, die nicht gern sich waschen lassen,
Die werden saubre, flotte Burschen dann;
Im Alter braucht man sie nicht mehr zu treiben.


  Leo Sternberg . 1876 - 1937






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