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Leyer, Wanderstab und Sterne
162 Bücher



Leo Sternberg
Leyer, Wanderstab und Sterne . 1. Auflage 1900



Untergang

Schwüler und schwärzer,
Dräu'nder und dräu'nder sich häufend,
Ein schweres Gewitter,
Behängt es geballt meine Seele.
Wie wird gestachelt von Bitternis,
Fauchende, pfeilschnelle,
Feindlich geblähte Schlangen
Ihre Blitze sie schießen!
Suche, eh' sich das Wetter entlädt,
Sein Heil, wem das Leben lieb.
Nicht Rettung, nicht Schonung ist
Wenn es rast;
Nicht um tausend Gerechter willen
Wird es verschonen verruchtes Gebiet.
Entfesseln wird sich der Sturm,
Ein Hohn aller Grenzen,
Und wer weiß, wo er niederfährt!
Toll turnt im wendenden Wind
Der Wetterhahn um die kreischende Axe,
So schwärmen die Kreuz und die Quer,
Aus allen Enden und Sitzen der Seele
Legionweis die Geister der Rache.
Wo sie niederfahren, wer weiß es?
Was kümmert sie's, wen sie verderben?
- Der Tobenden Ziel ist, wen sie treffen -
Aber wo sie niederfahren,
Wird Feuer und Schwefel verzehren
Jeden Trieb des Lebens mit Stumpf und Stiel,
So verwühlen, so eggen
Mit scharrenden Nägeln
Sie zu jedes Rinnsals Furche,
Allen Wachsthums Spur
Auf der ebenen Tafel des Erdreichs -
Wehe! wer da ein Gomorrha,
Weh'! wer ein Sodom!

Grollbitt'ren Gewitterrachdurst
Rollt schadenlechzend,
Unverhaltener immer und unverhohl'ner
Der Donner meiner bräuenden Seele.
Neige sich, wer ein Gipfel zur Zeit!
In die Erde versinke,
Was massiven Metalls;
Denn Ragendes reizt den Strahl,
Gen Erzenes eifert der Blitz,
Und Trotz wird getroffen.
Verloren, wer seiner Größe vertraut!
Er schrumpf' und vertrau' seiner Kleinheit.
Denn Knirpse deckt ihr Gnomenmaß,
In Gewittern ist Kleinheit Gunst. -

Hab ich Euch nicht gewarnt,
Verwegene, störrische Zacken,
Ragende Spitzen und Bollwerkstürme,
Palastkuppeln meiner Vergangenheit?
Bersten müßtet ihr, wäret ihr Felsen,
Schmelzen, wäret ihr Erz;
Und ihr wolltet die Stirne bieten
Den Sturmböcken meines Donnerkeils
Als hölzerne Giebel?
Hölzerne Giebel mit Zinkzierart,
Herausfordernd den Blitz,
Mit hölzernem Schnitzwerk, wie Zunder zündbar,
Und gläserne Dächer, als Sturmhauben

Auf den Pfahlbauten der Ohnmacht
Und Ueberschätzung,
Eine Knabenkurzweil errichtet einst,
Phantastisch-prunkenden, losen Gefüges,
Das wankt von dem kleinen Finger des Windes
Und erbebt vor der eigenen Hohlheit!

Eine Zielscheibe hat gefunden mein Zorn!

Nieder mit ihm! Der Verirrung
Nichtigem Gebäu!
Der Ueberhebung Wendelstieg!
Dem Labyrinth entarteter Verworrenheit!
Zünde! prassle! verdirb,
Blitzesflamme, die meiner Seele,
Der feuerträchtigen, entlodert!
Säble, ein Flammenschwert,
Zerstörung und Untergang
Dem todesreifen Reich der Vergangenheit.
Nur was stark in mir blieb
Und gesund im Mark,
Das eile und rette sich noch
Vor dem Feuerfall und der Schwefelwolken
Niedersturz in begnadete Fernen. -

Denn zerschellt zu Geröll
Und zu Wüstenflächen zertreten
Und verwandelt in totes Meer
Wird die Stätte meiner fluchbaren Jugend.
Vernichtung! Vertilgung! ihr
Und allem Lebendigen dort,
Und zur Salzsäule werde,
Was sich noch umsieht in mir
Nach der fluchbaren Jugend Versinken!


  Leo Sternberg . 1876 - 1937






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