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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
. 1825
V.
Froh empfind' ich mich nun auf classischem Boden begeistert,
Vor- und Mitwelt spricht lauter und reizender mir.
Hier befolg' ich den Rath, durchblätt're die Werke der Alten
Mit geschäftiger Hand, täglich mit neuem Genuß.
Aber die Nächte hindurch hält Amor mich anders beschäftigt;
Werd' ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt beglückt.
Und belehr' ich mich nicht, indem ich des lieblichen Busens
Formen spähe, die Hand leite die Hüften hinab?
Dann versteh' ich den Marmor erst recht; ich denk' und vergleiche,
Sehe mit fühlendem Aug', fühle mit sehender Hand.
Raubt die Liebste mir gleich einige Stunden des Tages,
Gibt sie Stunden der Nacht mir zur Entschädigung hin.
Wird doch nicht immer geküßt, es wird vernünftig gesprochen;
Ueberfällt sie der Schlaf, lieg' ich, und denke mir viel.
Oftmals hab' ich auch schon in ihren Armen gedichtet,
Und des Herameters Maß, leise mit fingernder Hand,
Ihr auf den Rücken gezählt. Sie athmet in lieblichem Schlummer,
Und es durchglühet ihr Hauch mir bis ins Tiefste die Brust.
Amor schüret die Lamp' indeß, und denket der Zeiten,
Da er den nämlichen Dienst seinen Triumvirn gethan.
Johann
Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832
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