Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte . 1825



XII.

Hörest du, Liebchen, das munt're Geschrei den Flaminischen Weg her?
Schnitter sind es; sie ziehn wieder nach Hause zurück,
Weit hinweg. Sie haben des Römers Ernte vollendet,
Der für Ceres den Kranz selber zu flechten verschmäht.
Keine Feste sind mehr der großen Göttin gewidmet,
Die, statt Eicheln, zur Kost goldenen Weizen verlieh.
Laß uns Beide das Fest im Stillen freudig begehen!
Sind zwei Liebende doch sich ein versammeltes Volk.
Hast du wohl je gehört von jener mystischen Feier,
Die von Eleusis hierher frühe dem Sieger gefolgt?
Griechen stifteten sie, und immer riefen nur Griechen,
Selbst in den Mauern Roms: "Kommt zur geheiligten Nacht!"
Fern entwich der Profane; da bebt' der wartende Neuling,
Den ein weißes Gewand, Zeichen der Reinheit, umgab.
Wunderlich irrte darauf der Eingeführte durch Kreise
Selt'ner Gestalten; im Traum schien er zu wallen; denn hier
Wanden sich Schlangen am Boden umher, verschlossene Kästchen,
Reich mit Aehren umkränzt, trugen hier Mädchen vorbei,
Vielbedeutend geberdeten sich die Priester, und summten;
Ungeduldig und bang harrte der Lehrling auf Licht.
Erst nach mancherlei Proben und Prüfungen ward ihm enthüllet,
Was der geheiligte Kreis seltsam in Bildern verbarg.
Und was war das Geheimniß? als daß Demeter, die große,
Sich gefällig einmal auch einem Helden bequemt,
Als sie dem Jason einst, dem rüstigen König der Kreter,
Ihres unsterblichen Leib's holdes Verborgne gegönnt.
Da war Kreta beglückt; das Hochzeitbette der Göttin
Schwoll von Aehren, und reich drückte den Acker die Saat.
Aber die übrige Welt verschmachtete; denn es versäumte
Ueber der Liebe Genuß Ceres den schönen Beruf.
Voll Erstaunen vernahm der Eingeweihte das Mährchen,
Winkte der Liebsten - Verstehst du nun, Geliebte, den Wink?
Jene buschige Myrte beschattet ein heiliges Plätzchen!
Unsre Zufriedenheit bringt keine Gefährde der Welt.


  Johann Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832






Gedicht: Hörest du, Liebchen, das munt're Geschrei den Flaminischen Weg her?

Expressionisten
Dichter abc


Goethe
Gedichte

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Hörest du, Liebchen, das munt're Geschrei den Flaminischen Weg her?, Johann Wolfgang von Goethe