Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte . 1825



Lili's Park

Ist doch keine Menagerie
So bunt, als meiner Lili ihre!
Sie hat darin die wunderbarsten Thiere,
Und kriegt sie 'rein, weiß selbst nicht wie.
O, wie sie hüpfen, laufen, trappeln,
Mit abgestumpften Flügeln zappeln,
Die armen Prinzen allzumal,
In nie gelöschter Liebesqual!

Wie hieß die Fee? - Lili? - Fragt nicht nach ihr!
Kennt ihr sie nicht, so danket Gott dafür.

Welch ein Geräusch, welch ein Gegacker,
Wenn sie sich in die Thüre stellt,
Und in der Hand das Futterkörbchen hält!
Welch ein Gequick, welch ein Gequacker!
Alle Bäume, alle Büsche scheinen lebendig zu werden:
So stürzen sich ganze Herden
Zu ihren Füßen; sogar im Bassin die Fische
Patschen ungeduldig mit den Köpfen heraus,
Und sie streut dann das Futter aus
Mit einem Blick - Götter zu entzücken,
Geschweige die Bestien. Da gehts an ein Picken,
An ein Schlürfen, an ein Hacken;
Sie stürzen einander über die Nacken,
Schieben sich, drängen sich, reißen sich,
Jagen sich, ängsten sich, beißen sich,
Und das all um ein Stückchen Brod,
Das, trocken, aus den schönen Händen schmeckt,
Als hätt' es in Ambrosia gesteckt.

Aber der Blick auch! Der Ton!
Wenn sie ruft: Pipi! Pipi!
Zöge den Adler Jupiters vom Thron;
Der Venus Taubenpaar,
Ja, der eitle Pfau sogar,
Ich schwöre, sie kämen,
Wenn sie den Ton von weitem nur vernähmen.

Denn so hat sie aus des Waldes Nacht
Einen Bären, ungeleckt und ungezogen,
Unter ihren Beschluß herein betrogen,
Unter die zahme Compaganie gebracht,
Und mit den andern zahm gemacht:
Bis auf einen gewissen Punkt, versteht sich!
Wie schön, und ach! wie gut
Schien sie zu seyn! Ich hätte mein Blut
Gegeben, um ihre Blumen zu begießen.

"Ihr sagtet ich! Wie? Wer?"
Gut denn, ihr Herrn, g'rad aus: Ich bin der Bär!
In einem Filetschurz gefangen,
An einem Seidenfaden ihr zu Füßen.
Doch, wie das alles zugegangen,
Erzähl' ich euch zur andern Zeit;
Dazu bin ich zu wüthig heut.

Denn ha! steh' ich so an der Ecke,
Und hör' von weitem das Geschnatter,
Seh' das Geflitter, das Geflatter,
Kehr' ich mich um
Und brumm',
Und renne rückwärts eine Strecke,
Und seh' mich um,
Und brumm',
Und laufe wieder eine Strecke,
Und kehr' doch endlich wieder um.

Dann fängt's auf einmal an zu rasen,
Ein mächt'ger Geist schnaubt aus der Nasen,
Es wildst die innere Natur.
Was, du ein Thor, ein Häschen nur!
So ein Pipi! Eichhörnchen, Nuß zu knacken!
Ich sträube meinen borst'gen Nacken,
Zu dienen ungewöhnt.
Ein jedes aufgestutztes Bäumchen höhnt
Mich an! ich flieh' vom Boulingreen,
Vom niedlich glatt gemähten Grase;
Der Buchsbaum zieht mir eine Nase,
Ich flieh' ins dunkelste Gebüsche hin,
Durchs Gehäge zu dringen,
Ueber die Planken zu springen!
Mir versagt Klettern und Sprung,
Ein Zauber bleit mich nieder,
Ein Zauber häkelt mich wieder,
Ich arbeite mich ab, und bin ich matt genung,
Dann lieg' ich an gekünstelten Cascaden,
Und kau' und wein' und wälze halb mich todt,
Und ach! es hören meine Noth
Nur porzellanene Oreaden.

Auf Einmahl! Ach, es dringt
Ein seliges Gefühl durch alle meine Glieder!
Sie ist's, die dort in ihrer Laube singt!
Ich höre die liebe, liebe Stimme wieder,
Die ganze Luft ist warm, ist blüthevoll.
Ach! singt sie wohl, daß ich sie hören soll?
Ich dringe zu, tret' alle Sträuche nieder,
Die Büsche, die Bäume weichen mir,
Und so - zu ihren Füßen liegt das Thier.

Sie sieht es an: "Ein Ungeheuer! doch drollig!
Für einen Bären zu mild,
Für einen Pudel zu wild,
So zottig, täpsig, knollig!"
Sie streicht ihm mit dem Füßchen übern Rücken;
Er denkt im Paradiese zu seyn.
Wie ihn alle sieben Sinne jücken!
Und Sie sieht ganz gelassen drein.
Ich küss' ihre Schuhe, kau' an den Sohlen,
So sittig, als ein Bär nur mag,
Ganz sachte heb' ich mich, und schwinge mich verstohlen,
Leis' an ihr Knie. - Am günst'gen Tag
Läßt sie's geschehn, und kraut mir um die Ohren,
Und patscht mich mit muthwillig derbem Schlag;
Ich knurr', in Wonne neu geboren;
Dann fordert sie mit süßem, eitlem Spotte:
Allons tout doux! eh la menotte!
Et faites Serviteur,
Comme un joli Seigneur.
So treibt sie's fort mit Spiel und Lachen;
Es hofft der oft betrogne Thor;
Doch, will er sich ein Bißchen unnütz machen,
Hält sie ihn kurz, als wie zuvor.

Doch hat sie auch ein Fläschchen Balsamfeuers,
Dem keiner Erde Honig gleicht,
Wovon sie wohl einmal, von Lieb' und Treu' erweicht,
Um die verlechzten Lippen ihres Ungeheuers
Ein Tröpfchen mit der Fingerspitze streicht,
Und wieder flieht, und mich mir überläßt,
Und ich dann, losgebunden, fest
Gebannt bin, immer nach ihr ziehe,
Sie suche, schaudre, wieder fliehe -
So läßt sie den zerstörten Armen gehn,
Ist seiner Lust, ist seinem Schmerzen still;
Ha! manchmal läßt sie mir die Thür halb offen stehn,
Seitblickt mich spottend an, ob ich nicht fliehen will.

Und ich! - Götter, ist's in euren Händen,
Dieses dumpfe Zauberwerk zu enden;
Wie dank' ich, wenn ihr mir die Freiheit schafft!
Doch, sendet ihr mir keine Hülfe nieder -
Nicht ganz umsonst streck' ich so meine Glieder:
Ich fühl's, ich schwör's! noch hab' ich Kraft.


  Johann Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832






Gedicht: Lili's Park

Expressionisten
Dichter abc


Goethe
Gedichte

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Lili's Park, Johann Wolfgang von Goethe