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Anton Wildgans
Buch
der Gedichte . 1. Auflage 1929
An einem fremden Grabe
Weiß zog die Straße durch das Sommerland,
Kein Baum gewährte kühlen Unterstand.
Nur dreier Rosensträucher blasses Blühn
Lehnte sich müd an einer Mauer Glühn.
Von Kreuzen überragt und manchem Stein,
Schloß sie ein enges, steiles Viereck ein.
Wie goldne Heere, hell im Waffenstrahl,
Wogten die Saaten nieder in das Tal.
Rings um den bröckeligen Mauerkranz
Lagen sie still in starkem, treuem Glanz,
Nur leise redend wie vor heiliger Schlacht:
Leben und Reifen, das den Tod bewacht...
Ein rostig Gittertürchen ließ mich ein,
Erschauernd schritt ich durch die Gräberreihn.
An einem Hügel wilden Grases blieb
Ich stehn und las, was fromm Gedenken schrieb.
Da hat mich herbe Rührung übermannt,
Dachte der Mutter, die ich kaum gekannt.
Die liegt begraben vor der großen Stadt,
Wo jeder Tote seine Nummer hat.
Dort fand ich nie den nahen Weg zu ihr
In Herzensträgheit und vor Lebensgier.
Doch hier am Grab der fremden Schläferin
Knie' ich, als läge meine Mutter drin,
Betend: Du ließest mich zu früh allein,
Würd' sonst mit mir wohl besser worden sein.
Du hast nun Frieden, hast dein Stückchen Grund -
Ich muß noch wandern mir die Füße wund.
Anton
Wildgans . 1881 - 1932
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